Die Flüchtige by Karin Alvtegen

Die Flüchtige by Karin Alvtegen

Autor:Karin Alvtegen
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-06-15T22:00:00+00:00


Sie wachte davon auf, dass er die Tür öffnete. Noch ehe sie sich vom Fleck rühren konnte, war er die paar Treppenstufen hochgestiegen und stand ein paar Sekunden lang still, bevor er weiterging.

Er hatte sie nicht entdeckt.

Sie lag mucksmäuschenstill und beobachtete ihn.

Blond, schmächtig und mit Stahlbrille.

Er stieg auf das kleine Podest vor der Uhr und legte das Gesicht ans Zifferblatt. Die Arme streckte er seitlich aus, sodass er im Gegenlicht aussah wie eine Jesusgestalt mit Antennen.

Es war zwei Minuten vor zwölf.

Ohne sich zu bewegen sah sie sich um.

Sie würde wohl zur Tür hinauskommen, aber dann müsste sie ihr Gepäck zurücklassen.

Es sah gefährlich aus, wie er dastand. Wenn er das Gleichgewicht verlor, würde er geradewegs durchs Zifferblatt hinausstürzen.

Die Sekunden vergingen. Die längere der Antennen Jesu sprang einen Schritt weiter.

Sie wagte kaum zu atmen, um sich nicht zu verraten.

Schließlich nahm er die Arme herunter und ließ sie hängen. Im nächsten Moment drehte er sich um und entdeckte sie.

Sie sah, dass er Angst bekam. Angst bekam und ein wenig verlegen wurde, weil ihn jemand beobachtet hatte.

Keiner sagte etwas, aber sie ließen sich nicht aus den Augen. Sie konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen, das Gegenlicht verwischte seine Gesichtszüge.

Wie um alles in der Welt sollte sie hier herauskommen? Er machte keinen besonders kräftigen Eindruck und er durfte unter keinen Umständen den Dachboden verlassen, ohne dass sie mit ihm hatte reden können. Sie setzte sich langsam auf. Wenn sie aufstünde, würde sie vielleicht bedrohlich wirken.

»Was machst du denn?«, fragte sie vorsichtig.

Er antwortete nicht sofort, aber sie merkte, dass seine Abwehr eine Spur schwächer wurde.

»Nichts Besonderes.«

»Ach, tatsächlich? Das hat von hier aus aber ziemlich gefährlich ausgesehen.«

Er zuckte die Schultern.

»Und du. Was machst du hier?«

Ja. Was mache ich hier?

»Ich habe mich ein bisschen ausgeruht.«

Das stimmte auf jeden Fall.

»Bist du ’ne Pennerin oder was?«

Sie lächelte verhalten. Hier ging es direkt zur Sache. Normalerweise versuchten die Leute das Elend zu beschönigen.

»Im Moment penne ich ja nicht.«

»Ja schon, ich meine, so ’ne Obdachlose. Die keine Wohnung hat.«

Warum sollte sie es leugnen? Es gab keine andere hieb- und stichfeste Erklärung für ihre Anwesenheit.

»Ja. Gut möglich.«

Er stieg von dem Podest herunter.

»Cool. Das werde ich auch, wenn ich mit der Schule fertig bin.«

Sie sah ihn an.

»Warum denn?«

»Ist doch wohl echt scharf. Niemand will was von einem oder sagt einem, was man zu tun hat.«

Ja. So konnte man das natürlich auch sehen.

»Wenn du von so was träumst, gibt es sicherlich bessere Möglichkeiten, auf die du setzen kannst.«

»Meinst du«, sagte er und grinste.

Sie war sich immer noch nicht ganz sicher, ob er sie auf den Arm nahm.

»Bist du auch ein Junkie?«

»Nein.«

»Ich dachte, Obdachlose seien alle Junkies. Ist man denn nicht deswegen obdachlos? Meine Mutter behauptet das.«

»Mütter wissen nicht alles.«

»Nein. Ich weiß.«

Er schnaubte, als er dies sagte, und sie konnte sehen, dass er keine Angst mehr hatte. Er kam jetzt zu ihr her und sie stand auf.

»Ist das alles, was du hast?«

»Ja. Das kann man wohl sagen.«

Sein Blick schweifte über die Isomatte und den Rucksack, und sie folgte seinem Blick. Der Junge wirkte nahezu beeindruckt.

»Obercool.«

Es war



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.