Die Erkenntnisse des Professor Jedermann (German Edition) by Christopher Steigerwald

Die Erkenntnisse des Professor Jedermann (German Edition) by Christopher Steigerwald

Autor:Christopher Steigerwald [Steigerwald, Christopher]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 2015-02-08T16:00:00+00:00


45

Als wir wieder im Auto saßen, hatte sich der Regen bereits verflüchtigt. Die Sonne hatte wieder die Oberhand gewonnen. Wir fuhren mit offenem Verdeck. Ich war nach meinem Spaziergang wieder ins Hotel zurückgekehrt und hatte mich in mein Bett gelegt. Ich schlief nicht wirklich. Ich nickte nur ein paar Mal für wenige Augenblicke weg. So kurz, dass ich mir nicht sicher war, ob ich tatsächlich geschlafen hatte. Lediglich die Absurdität meiner Gedanken sprach dafür, dass ich nicht die ganze Zeit wach gewesen sein konnte.

„Mein Mann hat mich gestern Abend angerufen“, sagte Luisa. Bäume zogen rechts und links an uns vorbei. Ich individualisierte sie nicht. Sie waren Fassade. Wie bei einem Theaterstück.

Ich überlegte, ob ich antworten sollte. Aber sie hatte mich eigentlich gar nichts gefragt. Ich vermutete, dass sie von sich aus fortfahren würde. Sie tat es.

„Erst sagte er, er wolle hören wie es mir ginge. Mir und dem Baby. Wir haben einander erzählt, was die Tage, seitdem Sie und ich aufgebrochen sind, passiert ist. Ich redete eine viertel Stunde. Er keine Minute.“

„Haben Sie sich gestritten?“, fragte ich.

„Nein. Ich denke nicht.“ Sie richtete eine Haarsträhne.

„Dann ist doch alles gut. Über was haben Sie noch gesprochen? Geht es ihm gut?“

„Ihm geht es gut. Aber verstehen Sie denn nicht, was ich damit sagen will?“ Sie sah mich an.

„Womit?“

„Er hat keine Minute gebraucht. Keine Minute, um von seinen letzten beiden Tagen zu erzählen.“ Luisa seufzte.

„Hm.“

„Es ist ja nicht so, als würde er mir etwas vorenthalten, oder mir nicht alles erzählen. Er hat mir alles erzählt. Alles. Mehr war da einfach nicht. Zwei Tage passen in eine Minute.“

„Was erwarten Sie denn? Sie können nicht jeden Tag einen Löwen bändigen, ein Kind vorm Ertrinken retten und abends ein Konzert der Rolling Stones besuchen.“ Ich war selbst überrascht, ob der Auswahl meiner Beispiele. Eine merkwürdige Zusammenstellung.

„So laufen die Tage nun einmal nicht ab! Das wissen Sie genauso gut, wie ich. Und egal für welches Leben Sie sich entscheiden, es wird immer diese Tage geben, die keinen Stoff für Geschichten liefern.“

„Wieso müssen Sie mir immer widersprechen?“ Sie wirkte gereizt.

„Das tue ich doch gar nicht. Aber legen Sie doch nicht alles auf die Goldwaage. Gestern noch haben Sie mir vorgeworfen ich würde alles durchdenken. In alles etwas hineininterpretieren. Jetzt machen Sie genau das gleiche!“

Luisa suchte etwas in ihrer Handtasche. Einen Kaugummi. Als wollte sie Zeit gewinnen.

„Vielleicht. Ich bin kein Kind mehr. Ich weiß, dass es nicht jeden Tag neue Abenteuer zu erleben gibt. Das erwarte ich ja auch gar nicht. Nur die Aussicht auf -“ Sie hielt inne.

„Auf?“

„Darauf ab und an trotzdem eins zu erleben. Die Möglichkeit.“

„Sie sind wirklich nicht zu beneiden!“

Sie nickte geistesabwesend.

„Nicht deshalb!“, sagte ich.

„Sondern?“

„Weil Sie schwanger sind!“

„Wie bitte?“ Sie wirkte irritiert, als ob sie überlegte, ob meine Aussage unpassend, oder gar beleidigend war. Und falls nicht, was sie stattdessen war.

„Wären Sie es nicht, hätte ich Ihnen jetzt empfohlen Alkohol zu trinken und eine Zigarette zu rauchen. Vielleicht sogar einen Joint. Manchmal ist es gar nicht so verkehrt, sich ein wenig zu benebeln. Sich auszuklinken. Es vertreibt böse Gedanken.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.