Die Erde bleibt noch lange jung und andere Geschichten aus fünfunddreißig Jahren by Johannes Mario Simmel

Autor:Johannes Mario Simmel [Simmel, Johannes Mario]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426419229
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2012-09-30T16:00:00+00:00

Gewiß ein halbes Dutzend Leserbriefe pro Tag. Ich beantworte sie abends, am Sonntag. Jeden. Ob ein Leser nun Rat in schwieriger Lebenslage sucht oder ob er Namen und Preis der Anti-Rauschgift-Droge wissen will, über die ich in meinem neuen Roman ›Wir heißen euch hoffen‹ berichte. O Gott, und ich habe doch im Vorwort darauf hingewiesen, daß diese Droge noch in der Entwicklung und nicht ausgereift ist. Was kümmert das die verzweifelte Mutter eines Heroin-Abhängigen?

Und die Geschenke, die kommen! Wunderschöne, gepreßte Blumen von einer geistlichen Schwester. Sacher-Torten. Elefanten (weil ich Elefanten sammle, nicht die großen lebenden, natürlich!), Pfeifen, Selbstgestricktes. Fünf Kisten Orangen (und wir trinken wochenlang wie die Verrückten Saft). Oder es kommt eine Büchse Kaviar. (Ich kann seit Jahren keinen mehr essen.) Oder ein Geschenk von meinem fünfjährigen Freund Oliver aus Strasbourg trifft ein; er hat – nach dem Titel des Kinderbuchs – einen wunderschönen ›Autobus, groß wie die Welt‹ gepinselt, und das Bild ist wirklich so ungewöhnlich, daß ich es in meine Sammlung naiver Malerei gehängt habe …

Und Manuskripte kommen. Ganz, ganz dicke. Die soll ich nun lesen und zum Druck befördern, wenn’s recht ist. Recht ist es schon, aber immer wieder muß ich erklären, wie selten es vorkommt, daß so ein Manuskript gedruckt wird.

Und die Angebote, die ich bekomme! Manche halten mich für einen Millionär. Und also bieten sie an: erstklassige Aktien, Gemälde, Schlösser, Schiffe, Antiquitäten. Und sehr viele Damen. Die bieten sich selber an. Auf den beiliegenden Farbfotos sind sie ganz nackt. Manche sehen sehr hübsch aus, andere haben, Gott sei’s geklagt, nur eine ungeheuer gute Meinung von sich. (Solche Fotos schickt man, wenn man auf seinen lieben Anwalt hört – und ich höre! – noch am gleichen Tag, an dem man sie erhalten hat, eingeschrieben zurück.)

Viele Leser nehmen eines meiner Bücher in den Urlaub mit. Zum Beispiel ›Die Antwort kennt nur der Wind‹. In diesem Roman wird die französische Riviera rund um Cannes exakt beschrieben. Begeisterte Briefe: Alles stimmt! Bei ›Tetou‹ bekommt man wirklich die beste Bouillabaisse, im ›L’Age d’Or‹ die besten Nachspeisen, im ›Port Canto‹ die schönste Piano-Musik zu hören! Meine Leser benützen meine Bücher (auch) als Reiseführer. Das ist schön. Weniger schön ist, daß die Besitzer meiner Lieblingslokale nun kein Geld von mir annehmen, wenn ich bei ihnen esse. So etwas ist auf die Dauer peinlich. Ich muß mir neue Lieblingslokale suchen …

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