Die Entzifferung der Schmetterlinge - Roman by dtv

Die Entzifferung der Schmetterlinge - Roman by dtv

Autor:dtv
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2013-08-15T00:00:00+00:00


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Nauten der Bürger

Nach der Heirat zogen sie in eine recht große und nicht billige Wohnung, die im Herzen Schwabings lag und Nauten, der Wert darauf legte, sich nicht knauserig zu geben, sondern seiner Frau etwas Ordentliches und Handfestes zu bieten, für ein paar Wochen stolz machte. Trixi brachte so gut wie nichts in die Ehe ein, weder Möbel noch Geld; sie besaß lediglich einen alten Fernsehapparat, der sich jedoch in einem so hinfälligen Zustand befand, dass Nauten ihr ohne Zögern einen neuen schenkte sowie zahlreiche Nippsachen. Besonders auffällig war eine Ansammlung von Schatullen, die mit gläsernen Perlen in vielen Farben geschmückt waren und bei denen es sich, wie sie in kennerhaftem Ton erläuterte, um »Originalstücke aus Thailand« handelte. Nauten schien es, als bewahre sie ihre gesamte Habe in Schatullen auf – so wenig Habe besaß sie und so viele Schatullen.

Beim Einzug ging Trixi von Zimmer zu Zimmer und stellte überall, wo sie ein geeignetes Plätzchen zu finden meinte, ihre Nippartikel in dekorativer Anordnung auf. Dazu machte sie ein Gesicht, als sei jedes Stück, das sie verteilte, ein kleines Kunstwerk für sich; und mit mehr als einem Blick deutete sie Nauten an, dass die Wohnung erst durch ihren Nippes ein wirklich stilvolles Aussehen gewinne – jenes gewisse Etwas, den Anstrich von überlegener Klasse, der ihr bisher noch gefehlt habe.

Nautens Mutter ließ es sich nicht nehmen, ihrem Sohn, der wiederum am Anfang eines neuen Lebensabschnitts stand, mit ein paar alten Möbeln auszuhelfen. Anders als beim ersten Mal, konnte Nauten sich jetzt nicht entsinnen, irgendeins der Stücke bereits gesehen zu haben; er legte sich dafür die Erklärung zurecht, dass die Möbel wohl schon vor seiner Geburt die Grenze zum nicht mehr Präsentablen überschritten und den Weg in die Abstellräume gefunden haben wussten. Wahrscheinlich hatte die Mutter ihm damals, bei der Gründung seines ersten Hausstandes, noch die verhältnismäßig besten unter den schlechten geschenkt; nun war sie ein weiteres Mal in ihren Keller hinabgestiegen und hatte unter den verbliebenen Resten Nachlese gehalten.

Noch während des Einzugs fassten Nauten und Trixi den Entschluss, sich so bald wie möglich neue Möbel anzuschaffen. Eine Weile freilich wollten sie damit warten, denn Trixi hatte sich schon vor der Hochzeit von Nautens Geld, oder vielmehr mit Hilfe eines größeren Darlehens, das er für sie aufnahm, einen Wagen gekauft. Nauten besaß keinen Führerschein und hatte ihn nie vermisst; mit Autos wusste er nichts anzufangen, empfand sie als fremdartig und einschüchternd. Dennoch freute es ihn, Trixi einen Wunsch zu erfüllen, der ihr am Herzen lag, und in der Tat war es ja ein hübsches Gefährt, das bemerkte selbst er: ein Lancia Cabriolet in brennendem Rot und mit Weißwandreifen, im Verkehr der Stadt ein gewisses Aufsehen erregend und für die bevorstehende Hochzeitsreise nach Italien gerade das Richtige.

Kurz nach der Trauung hörte Trixi auf zu arbeiten. Sie mochte nun einmal nicht kellnern, litt unter der unschönen und anstrengenden Arbeit im Kneitinger, die nicht zu ihrer Feinheit passte, was Nauten ja immer schon gewusst und womit sie gleich am ersten Tag seine Neugier geweckt hatte. Es



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