Die Eleganz des Igels by Muriel Barbery
Autor:Muriel Barbery [Barbery, Muriel]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-18T16:00:00+00:00
5
Ein angenehmer Eindruck
Doch Manuela, unempfänglich für die Schritte der japanischen Frauen, steuert schon andere Gestade an.
»Die Rosen macht ein Riesengetue, weil es bei ihm nicht zwei gleiche Lampen gibt«, sagt sie.
»Tatsächlich?«, frage ich verdutzt.
»Ja, tatsächlich«, antwortet sie mir. »Na und? Bei den Rosen ist alles doppelt vorhanden, weil sie fürchten, zuwenig zu haben. Kennen Sie Madames Lieblingsgeschichte?«
»Nein«, sage ich, entzückt über die Ausblicke, die uns diese Unterhaltung verheißt.
»Während des Krieges hat ihr Vater, der in seinem Keller einen Haufen Sachen lagerte, seine Familie dadurch gerettet, daß er einem Deutschen einen Dienst erwies, der eine Fadenrolle suchte, um einen abgefallenen Knopf an seiner Uniform anzunähen. Wenn er keine Fadenrolle gehabt hätte, schwups, hätte er ihm den Hals umgedreht, und allen anderen auch. Nun, Sie können es glauben oder nicht, in ihren Schränken und im Keller hat sie alles doppelt. Macht sie das glücklicher? Sieht man besser in einem Zimmer, weil es zwei gleiche Lampen gibt?«
»Daran habe ich nie gedacht«, sage ich. »Es stimmt, wir statten unsere Räume mit Redundanzen aus.«
»Mit was?«, fragt Manuela.
»Mit Wiederholungen, wie bei den Rosen. Die gleichen Lampen und Vasen doppelt auf dem Kamin, die genau gleichen Sessel auf jeder Seite des Sofas, zwei zueinander passende Nachttische, Reihen von gleichen Glasbehältern in der Küche …«
»Jetzt, da Sie es sagen, es sind nicht nur die Lampen«, fährt Manuela fort. »Tatsächlich gibt es keine zwei gleichen Dinge bei Monsieur Ozu. Nun, ich muß sagen, das ist ein angenehmer Eindruck.«
»Wie, angenehm?«, frage ich.
Sie überlegt einen Moment mit gerunzelter Stirn.
»Angenehm wie nach den Festtagen, wenn man zuviel gegessen hat. Ich denke an jene Momente, wenn alle fortgegangen sind … Mein Mann und ich gehen in die Küche, ich bereite eine kleine Brühe mit frischem Gemüse zu, ich schneide rohe Champignons ganz klein und wir essen unsere Brühe mit den Champignons drin. Man hat das Gefühl, einen Sturm hinter sich zu haben und daß es wieder ruhig wird.«
»Man fürchtet nicht mehr, zuwenig zu haben. Man ist glücklich über den Augenblick.«
»Man spürt, daß es natürlich ist, daß das hier Essen ist.«
»Man kann profitieren von dem, was man hat, nichts konkurriert damit. Eine Empfindung nach der anderen.«
»Ja, man hat weniger, aber man profitiert mehr davon.«
»Wer kann mehrere Dinge auf einmal essen?«
»Nicht mal der arme Monsieur Arthens.«
»Ich habe zwei gleiche Lampen auf zwei identischen Nachttischen«, sage ich, als mir diese Tatsache plötzlich einfällt.
»Und ich auch«, sagt Manuela.
Sie schüttelt den Kopf.
»Vielleicht sind wir krank vom Überfluß.«
Sie steht auf, umarmt mich und kehrt zu den Pallières zurück, an ihre moderne Sklavenarbeit. Nachdem sie gegangen ist, bleibe ich vor meiner leeren Teetasse sitzen.
Ein Schokoladenkeks ist übriggeblieben, den ich aus Naschhaftigkeit mit den vorderen Zähnen knabbere, wie eine Maus. Auf eine neue Weise hineinzubeißen, das ist wie ein neues Gericht zu kosten.
Und ich meditiere genüßlich über den ungebührenden Charakter unseres Gesprächs. Hat man je von einer Putzfrau und einer Concierge gehört, die bei einer Plauderei während der Pause den kulturellen Sinn der Innenausstattung erörtern? Sie wären überrascht zu hören, was die kleinen Leute miteinander reden. Zwar mögen sie die Geschichten lieber als die Theorien, die Anekdoten lieber als die Begriffe, die Bilder lieber als die Ideen.
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