Die Drohung by Heinz G. Konsalik

Die Drohung by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-29T04:00:00+00:00


Am Nachmittag dieses Tages erschien nach kurzem Anklopfen der Kunstmaler Anton Harlinger im Appartement des sowjetischen Handelsreisenden Lepkin.

Lepkin lag auf der Couch, rauchte eine englische Zigarette, las in dem deutschen Magazin ›Der Spiegel‹ und ließ sich von leiser Radiomusik berieseln. Er sah kurz zur Seite und zeigte auf einen Sessel am Fenster.

»Nehmen Sie Platz, Iwan Prokojewitsch.«

»Eine wichtige Neuigkeit, Stepan Mironowitsch: Bossolo wird übermorgen freigelassen.«

»Sieh an.« Lepkin richtete sich auf und warf den ›Spiegel‹ weg. »Die Tage der Ruhe sind vorbei. Ist alles vorbereitet, Genosse Smelnowski?«

»Wie gewünscht, Genosse Major.«

»Sie haben einen schalldichten Raum?«

»Ich habe einen Hobbykeller ausgebaut, in dem ich Schießübungen veranstalte. Man hört keinen Schuß außerhalb des Kellers, nicht mal eine Nagan. Eine menschliche Stimme zu hören, wäre unmöglich.«

»Bedenken Sie, Bossolo wird nicht flüstern.«

»So laut ist kein menschlicher Kehlkopf, Genosse, wie eine Nagan.«

»Ich werde mich mit Holden über alte Zeiten unterhalten.« Lepkin sprang von der Couch, drückte die Zigarette aus und trat ans Fenster. Unter ihm wälzten sich die Autoschlangen zur Stadt hinaus. Büroschluß. Trotz U-Bahn und breiten Ausfallstraßen brach jeden Nachmittag der Verkehr in München zusammen. Am Morgen bis ½ 9 Uhr das gleiche Bild … eine träge, bunte Blechschlange, umgeben von Dunst und Gestank, langsam weiterkriechend, knurrend, aufschreiend, kreischend. Der Drache im Märchen lebte wirklich. Er hieß Fortschritt, Zivilisation, Wohlstand.

Für Lepkin, den Russen, war es immer faszinierend, dieses Schauspiel zu betrachten. In New York, Paris, Rom, München, London, Hamburg, Mailand, Chikago, New Orleans, Turin, Köln oder Stuttgart … die Riesenviper aus buntem Blech, von der der Mensch dachte, er regiere sie, während er schon längst von ihr gefressen war. An solchen Abenden bekam Lepkin Sehnsucht nach seiner russischen Weite, nach dem klaren Himmel und der frischen Luft, die beim Atmen noch die Lunge mit Sauerstoff aufblähte und nicht mit Giftgasen und Chemikalien. Warum eigentlich die Eile, dachte Lepkin oft, wenn er im Westen war. Unsere Politik ist falsch. Schweigen wir von der Weltrevolution, warten wir ab … der Westen vergiftet sich selbst. Es bleibt uns später vorbehalten, die Überlebenden aufzusammeln. Eine fast humanitäre Eroberung.

»Wann soll ich mich um Bossolo kümmern?« fragte Smelnowski, als Lepkin versonnen schwieg und die Autoschlange betrachtete.

»Das überlasse ich Ihnen, Ivan Prokojewitsch. Die Vorbedingung ist: Unauffällig. Er muß plötzlich verschwunden sein.«

»Von übermorgen früh an wird immer ein Genosse das Präsidium überwachen.«

»Nehmen Sie zwei, Smelnowski. Bossolo kann auch aus dem Seitenausgang kommen.«

»Und wie erreiche ich Sie, Genosse Major?«

»Ich rufe Sie an, Iwan Prokojewitsch.« Lepkin ließ die Gardine zurückfallen und trat ins Zimmer zurück. »Ich werde mit Holden einen kleinen Schwabingbummel machen. Irgendwann wird sich die Gelegenheit ergeben, ein Telefon aufzusuchen. Versagen Sie nicht, Smelnowski.«

Iwan Prokojewitsch schüttelte den Kopf und verließ schnell das Zimmer. Der letzte Satz bewies ihm, daß Lepkins äußeres Bild täuschte. Er war kein Sorgenkind, wie ihn Abetjew manchmal nannte, wenn Lepkin allzu dekadent von seinen westlichen Ausflügen nach Moskau zurückkam. Die Worte ›Versagen Sie nicht!‹ waren beste Kremlvokabeln. Ein Eishauch aus meterdicken Gewölben.

An diesem Abend telefonierte Lepkin mit Holden. Er hatte Glück, Ric war auf seinem Zimmer im Sheraton-Hotel. »Ein Vorschlag, Brüderchen«, sagte Lepkin bewußt breit in bilderbuchhafter russischer Ausdrucksweise.



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