Die Diktatur der Dummen: Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben (German Edition) by Brigitte Witzer
Autor:Brigitte Witzer [Witzer, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2015-01-20T16:00:00+00:00
Wissen ist begrenzt und veraltet schnell
Gerade die fast vollständig verschulten Bachelor-Studiengänge führen zur Verlängerung einer stark reglementierten Ausbildung. Von den Studenten wird das Studium im Nachhinein eher als »Wissensmast« verstanden, in deren Verlauf sie viel auswendig gelernt, aber wenig begriffen haben. Doch was ist Bildung eigentlich? Geht es um Wissen? Nein, das wäre einerseits zu wenig und andererseits sogar falsch.
Der englische Philosoph Herbert Spencer stellt eine Verbindung zwischen Bildung, Wissen und Handeln her: »Das große Ziel der Bildung ist nicht Wissen, sondern Handeln.« Damit sind wir wieder bei der Kompetenz: Es geht darum, handeln zu können, nicht einfach nur zu wissen. Was konkret bedeutet: ab sofort kein Auswendiglernen mehr, kein Pauken mehr, sondern stattdessen Denken in Szenarien, testen und erproben von Möglichkeiten.
Das kann die Hochschule kaum leisten. Denn die Wirtschaft hat genaue Vorstellungen davon, welche Kenntnisse ein Bachelor mitbringen muss – und dazu gehört vor allem Eingepauktes. Selbstständiges Denken ist weniger gefragt, bestenfalls Elemente der Selbststeuerung wie der Ablagetest, bei dem der Absolvent im Assessment zeigen kann, ob er zwischen dringend, wichtig und sowohl dringend als auch wichtig unterscheiden kann – ursprünglich übrigens ein typischer Test für Assistentinnen. Die meisten Absolventen kommen mit einem enormen Wissen von den Hochschulen, sind aber nicht in der Lage, dieses in der Praxis anzuwenden. Damit fallen sie einerseits für das praktische Anpacken aus, weil sie immer noch zu intellektuell sind, andererseits können sie nur selten eigene Gedanken weiterspinnen, sind also zugleich entintellektualisiert. Dem Fachkräftemangel ist damit sicherlich nicht abzuhelfen.
Junge Leute strömen in die Unternehmen, frisch von den Hochschulen, mit klaren Vorstellungen, wie viel sie verdienen, welchen Wagen sie fahren wollen – aber ohne eine klare Vorstellung davon, dass sie künftig handeln müssen oder wie sie führen sollen. Die meisten gehen davon aus, dass sie managen, sprich: Aufgaben abarbeiten, Strukturen schaffen, Prozesse analysieren. Das wird aber nicht der Fall sein, im Gegenteil. Immer klarer wird, dass die Hochzeiten des bloßen Managens vorbei sind. In der Wirtschaft ist Leadership angesagt, und das bedeutet vor allem eines: führen können. Führen hat mit Persönlichkeit zu tun und verlangt, seine Mitarbeiter zu motivieren, zu inspirieren, Menschen für erfolgreiche Teams zusammenzubringen und ihnen Gestaltungsraum und Möglichkeiten zu öffnen.
Erich Fromm bezeichnete einen Menschen ohne solche Leadership als »Marketing-Charakter«.17 Diesem Marketingcharakter sei es wichtig, die richtigen Dinge zu sagen und die richtige Kleidung zu tragen und Autorität zu haben – aber er sei keine Autorität. Autorität haben oder eine Autorität sein bezeichnet bei Fromm den Unterschied zwischen jemandem, der etwas ist, und jemandem, der nur so tut, als sei er etwas. Es geht also um Kompetenz, vielleicht auch um Persönlichkeit.
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