Die Chroniken vom Anbeginn - Onyx by Stephens John

Die Chroniken vom Anbeginn - Onyx by Stephens John

Autor:Stephens, John
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: cbj
veröffentlicht: 2014-10-08T16:00:00+00:00


Ungefähr zur gleichen Zeit, als Robbie McLaur Kate und Michael vom Portal im Garten der rosafarbenen Zitadelle erzählte, versuchte sich Emma dazu zu überwinden, einfach hinunterzugehen und sich bei den blöden Geistern einzureihen.

Sie können einem ja eigentlich nicht wehtun, sagte sie sich.

Oder doch? War sie vielleicht ein Geisterexperte? Sie hatte keine Ahnung, was Geister konnten und was nicht. Und waren das überhaupt Geister? Sie sahen eigentlich gar nicht so aus. Eher wie normale Menschen. Sie stellte sich Michael hier unten vor. Der hätte seine Brille ganz hochgeschoben und dann einen langen und stinklangweiligen Sermon über Geister und ihre Gewohnheiten losgelassen, bis ihm irgendjemand (wahrscheinlich sie) eine Kopfnuss verpasste. Aber er war nicht hier. Niemand sonst. Sie war allein.

Zu Anfang, als sie Kate und Michael und Gabriel zurückgelassen hatte und mit Michaels winziger und fast nutzloser Taschenlampe durch den Tunnel hinter dem Spinnennetz gegangen war, hatte sie voller Energie gesteckt und war von ihrer Bestimmung erfüllt gewesen. Sie würde das Buch des Todes finden, alle retten und dann die große Heldin sein. Aber nachdem sie gefühlt seit Stunden unterwegs war – in Wirklichkeit waren es eher zwanzig Minuten –, war ihr eingefallen, dass sie eigentlich überhaupt nicht wusste, wo sie hingehen sollte. Wie groß war dieses Reich der Toten eigentlich? Wenn dieses Buch nun Tausende von Meilen entfernt war? Wenn sie Jahre brauchte, um es zu finden? War es im Totenreich eigentlich kalt? Hätte sie besser eine Jacke mitgebracht? Und wenn es regnete? Wo würde sie etwas zu essen finden? Und wie sollte sie jemals wieder nach draußen finden?

Während sie all das dachte, hatte sie die Schwärze des Tunnels hinter sich gelassen und war in einen dichten, grauen, nassen Nebel gelangt. Sie hatte gespürt, dass sie nicht mehr auf felsigem Untergrund, sondern auf Erde lief.

Da hatte sie gewusst, dass sie den Übergang geschafft hatte.

Bald hatte sich der Nebel verzogen und sie war an einen mit Baumskeletten bestandenen Hang gekommen. Sie war hangabwärts gelaufen, Haar und Kleidung noch voller Wasserperlen aus dem Nebel. Unten angekommen war sie an eine breite Straße aus fester Erde gelangt, auf der sie der Prozession der Toten begegnet war.

Einen Augenblick lang hatte sie die Wanderer für durchsichtig gehalten, so grau und verschwommen hatten sie ausgesehen. Von ihrem Versteck hinter einem Baum hatte sie dann aber erkannt, dass das nur am Nebel lag und dass die Toten – und das waren sie doch, oder? – ganz und gar nicht transparent waren. Aber waren sie dann fest und greifbar? Emma konnte ihre Füße leise auf dem Boden schlurfen hören – also waren sie es wohl. Aber wie war das möglich? Hatten sie nicht ihre Körper in der Welt der Lebenden zurückgelassen?

Emma kam das vergangene Schuljahr in den Sinn. Sie hatten all diese Wikingergeschichten gelesen – was für eine Schullektüre ziemlich cool gewesen war, weil es da meistens um das Abschlagen von Köpfen und Kämpfe mit Riesen und Trollen ging. Bei den Wikingern war der Himmel ein Ort gewesen, an dem die Toten offenbar die ganze Zeit herumsaßen, aßen und tranken.



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