Die Cellistin (Gabriel Allon 21) (German Edition) by Silva Daniel

Die Cellistin (Gabriel Allon 21) (German Edition) by Silva Daniel

Autor:Silva, Daniel [Silva, Daniel]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783749904990
Herausgeber: HarperCollins eBook
veröffentlicht: 2022-07-21T00:00:00+00:00


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KUNSTHAUS ZÜRICH

Anna Rolfe hatte zum Schluss nur noch einmal kurz aufs Podium kommen wollen, aber das Publikum ließ sie lange nicht gehen. Allerdings galt ein Großteil der Bewunderung Isabel. Ihr Vortrag von Rachmaninoffs bewegender Sechsminutenkomposition war mitreißend gewesen.

Zuletzt nahm Anna Isabel an der Hand und zog sie mit sich aus dem Vortragssaal. Plötzliche Kopfschmerzen – bekanntlich litt Anna unter schlimmen Migräneanfällen – hinderten sie leider daran, sich wie ursprünglich geplant bei dem anschließenden Empfang unter die Gäste zu mischen. Die bezaubernde junge Isabel hatte sich bereit erklärt, sie zu vertreten. Aus Gründen operativer Sicherheit hatte Gabriel sie nicht in alle Hintergründe dieser umständlichen Scharade eingeweiht. Anna wusste nur, dass sie etwas mit dem slawisch aussehenden Mann zu tun hatte, der Isabel von seinem Platz in der ersten Reihe aus mit Blicken verschlungen hatte.

Auf dem Korridor verabschiedete Anna sich überraschend förmlich von Isabel, und sie zogen sich in ihre Garderoben zurück. Vor Annas Tür hielt ein Sicherheitsmann Wache. Ihr Geigenkasten lag auf dem Toilettentisch, daneben ihre Packung Gitanes. Sie zündete sich eine Zigarette an, ohne sich um das strikte Rauchverbot im Museum zu kümmern, und musste sofort an Gabriel denken, der mit einem Pinsel in der Hand vor ihr stand und missbilligend den Kopf schüttelte.

Wahrscheinlich können wir von Glück sagen, dass es aus war, bevor jemand zu Schaden gekommen ist .

Draußen war das Klappern hochhackiger Pumps zu hören, das Annas Gedanken unterbrach. Das war Isabel, die ihre Garderobe verließ, um als Star des Abends zu dem Empfang zu gehen. Anna war erleichtert, dass sie nicht hinzugehen brauchte, denn sie fand nichts beängstigender als einen Saal voller Unbekannter. Sie zog die Gesellschaft ihrer Guarneri immer vor.

Sie drückte einen leichten Kuss auf die Schnecke. »Schlafenszeit, graziöse Lady.«

Sie warf die Gitane in eine halb leere Flasche Eptinger und klappte ihren Geigenkasten auf. Außer ihren Sachen – ein Ersatzbogen, Reservesaiten, Kolophonium, Dämpfer, Saitenreiniger, Poliertücher, Luftbefeuchter, Sandpapier, eine Locke vom Haar ihrer Mutter – lag darin ein an sie adressierter Briefumschlag. Er hatte noch nicht darin gelegen, als sie den Raum verlassen hatte, und sie hatte den Wachmann strikt angewiesen, in ihrer Abwesenheit niemanden hineinzulassen. Das hatte auch der fesche Engländer mit der schönen Sonnenbräune getan. Mit dem so ziemlich am wenigsten überzeugenden französischen Akzent, den Anna jemals gehört hatte.

Sie zögerte kurz, dann griff sie nach dem Umschlag. Wie die Karte, die er enthielt, war er aus teurem cremeweißen Papier.

Anna erkannte die Handschrift wieder.

Sie war mit einem Satz auf den Beinen, riss die Tür auf und stürmte in den Korridor hinaus. Der Wachmann starrte sie an, als sei sie wahnsinnig geworden. Ihr Ruf eilte ihr offenbar voraus.

»Ich dachte, ich hätte Sie angewiesen, während meines Auftritts niemanden in meine Garderobe zu lassen!«

»Ich habe niemanden reingelassen, Frau Rolfe.«

Sie wedelte mit dem Umschlag vor seinem Gesicht. »Wie zum Teufel kommt der dann in meinen Geigenkasten?«

»Das muss Monsieur Carnot gewesen sein.«

»Wer?«

»Der Franzose, der heute Nachmittag das Gemälde ins Museum gebracht hat.«

»Wo ist er jetzt?«

»Gleich hier«, sagte eine Stimme hinter ihr.

Anna wirbelte herum. Er stand schwach ironisch lächelnd im Halbdunkel an der Tür zum Podium.



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