Die Bruderschaft der Runen by Peinkofer Michael

Die Bruderschaft der Runen by Peinkofer Michael

Autor:Peinkofer Michael [Michael, Peinkofer]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
veröffentlicht: 2009-12-07T05:00:00+00:00


Miltiades Gainswick war Sir Walter von früher gut bekannt; während seines Studiums war der Professor, der lange Jahre an der Universität von Edinburgh gelehrt hatte, Scott ein weiser Freund und Mentor gewesen, mit dem er über all die Jahre Kontakt gehalten hatte.

Ein Historiker im eigentlichen Sinn war Gainswick nicht – die Geschichtswissenschaft war für den Juristen mehr ein Zeitvertreib. Allerdings hatte er es darin zu einem gewissen Ruf gebracht und im renommierten Periodikum Scientia Scotia schon einige Beiträge veröffentlicht. Seine Spezialgebiete waren die keltische Geschichte und die schottische Frühzeit, die auf den aus Sussex stammenden Gelehrten eine besondere Faszination auszuüben schienen.

Noch von Abbotsford aus hatte Sir Walter Gainswick einen Brief geschrieben und ihm mitgeteilt, dass er ihn in Edinburgh besuchen wolle. Schon kurz nach ihrer Ankunft in der Stadt hatte der Professor ihn per Boten darüber in Kenntnis setzen lassen, dass er über einen Besuch höchst erfreut wäre.

Quentin, der sich nach anfänglichem Zögern bereit erklärt hatte, seinen Onkel bei den Nachforschungen zu unterstützen, bereute seinen Entschluss fast, als er sah, wohin der Kutscher die Droschke lenkte: in die High Street, die in zunächst sanfter, dann immer steilerer Steigung zur Königsburg hinaufführte, vorbei an der Kathedrale von St. Giles und dem Parlamentsgebäude, das Sir Walter nur zu vertraut war, denn hier tagte der Oberste schottische Gerichtshof, der in regelmäßigen Abständen zusammentrat und dem er vorstand.

Der Grund für Quentins Unbehagen war der Umstand, dass die High Street – oder ›königliche Meile‹, wie sie im Volksmund genannt wurde – gleichzeitig auch die Straße war, an der mit Abstand die meisten Spukhäuser standen. Hier hatten all die grausigen Geschichten gespielt, mit denen der alte Geister-Max die Kinder erschreckt hatte, und obwohl Quentin inzwischen natürlich wusste, dass es nur erfundene Geschichten gewesen waren, konnte er sich eines gewissen Schauders nicht erwehren.

Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, als die Droschke ihr Ziel erreichte. Nachwächter in dunklen Mänteln waren dabei, die Gaslaternen zu entzünden, die die Straße bis zur Burg hinauf säumten. Ihr fahler Schein vertrieb zwar die Dunkelheit, trug in Quentins Augen aber nicht dazu bei, die Szenerie weniger unheimlich zu machen.

Die schmalen, hohen Fassaden der Lands, wie die Häuser entlang der High Street genannt wurden, reckten sich düster und unheimlich in den wolkigen Nachthimmel. Dazwischen erstreckten sich schmale, von fensterlosen Mauern gesäumte Seitengassen, Wynds genannt, die in abgelegene Hinterhöfe führten, die nicht umsonst als Closes bezeichnet wurden. In weniger zivilisierten Tagen war es nicht selten vorgekommen, dass arglosen Spaziergängern dort aufgelauert worden war und sie ein Messer zwischen die Rippen bekommen hatten – und ihre ruhelosen Geister gingen, wie es hieß, noch heute in den Gassen und Höfen um …

Als Quentin aus der Kutsche stieg, machte er ein so betretenes Gesicht, dass Sir Walter schmunzeln musste.

»Was ist mit dir, mein Junge? Du hast nicht etwa ein Gespenst gesehen?«

Quentin zuckte zusammen. »Nein, Onkel, natürlich nicht. Aber ich mag diese Gegend trotzdem nicht.«

»Auch auf die Gefahr hin, dich zu enttäuschen – in den letzten Jahren wurde, soweit mir bekannt ist, kein Gespenst in der High Street gesichtet. Du kannst also beruhigt sein.



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