Die Braut im Schnee by Jan Seghers

Die Braut im Schnee by Jan Seghers

Autor:Jan Seghers [Seghers, Jan]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: rowohlt


Es war bereits dunkel, als Marthaler in den Großen Hasenpfad einbog und die steile Straße hinauffuhr. Er näherte sich seinem Haus, fuhr langsam daran vorbei, drehte eine Runde um den Block und parkte schließlich ein paar hundert Meter entfernt am Straßenrand. Es war niemand zu sehen. Die Journalisten waren abgezogen. Offensichtlich hatte Kerstin Henschel mit ihrem Täuschungsmanöver Erfolg gehabt.

Als er seine Wohnung betrat, sah er, dass der Anrufbeantworter blinkte. Er zog den Mantel aus, drehte die Heizung im Wohnzimmer an, ging in die Küche und nahm eine Flasche Barolo aus dem Regal. Er legte das Weihnachtskonzert von Francesco Manfredini auf, schnupperte am Wein und nahm einen ersten kleinen Schluck. Dann hörte er die Nachricht ab. Es war Tereza.

«Ich bin’s», sagte sie. «Du kannst meine Handy behalten. Ich kaufe mir morgen eine neue.» Es folgte eine kleine Pause. «Ich liebe dich immer noch», sagte sie dann. «Wenn du magst, kannst du auch in die Pension anrufen.»

Sie nannte die Nummer, aber Marthaler wollte nicht telefonieren. Er wollte überhaupt nicht sprechen. Er wollte nur Terezas Stimme hören und konnte nicht genug von dem bekommen, was sie gesagt hatte. Immer wieder spielte er ihre Nachricht ab. Und je öfter er sie hörte, desto größer kam ihm sein Glück vor und desto weniger konnte er es fassen.

Er konnte sich nicht erinnern, je in einer solchen Situation gewesen zu sein. Jede Stunde glich einem Wechselbad. Beruflich war er an einem Tiefpunkt angelangt. Eissler hatte ihn des Dienstes enthoben. Mit freundlichen Worten und vielleicht nur vorübergehend, aber es war klar: Marthaler konnte in nächster Zeit nicht so arbeiten, wie er es gewohnt war und wie er es am liebsten tat. Nicht mit den Kollegen an seiner Seite, die ihn unterstützen, an denen er sich reiben und die ihn korrigieren konnten. Sosehr er sich in den letzten Monaten eine Pause gewünscht hatte, so wenig schien ihm das jetzt der richtige Zeitpunkt. Auch wenn ihre Ermittlungen ins Stocken geraten waren, auch wenn sie nicht wussten, wie es weitergehen sollte, ein frei herumlaufender Mörder bedeutete eine Gefahr, die ihm die ersehnte Ruhe verwehrte.

Gleichzeitig gab es Tereza, die jetzt hier war, bei ihm, in Frankfurt. Und mit ihr war etwas in Marthalers Leben getreten, das er lange vermisst und von dem er schon nicht mehr geglaubt hatte, dass es ihm noch einmal widerfahren würde. Alles war schrecklich, und alles war schön. Es war seltsam und doch so, als müsse es so sein: In dem Moment, da er verzagen wollte, gab es zugleich etwas, das ihn davon abhielt und ihm Zuversicht gab.

Und während er jetzt darüber nachdachte, erinnerte sich Marthaler, dass es einen Satz gab, der alles, was gerade in ihm vorging, besser beschrieb, als er es je gekonnt hätte. Er wusste nicht mehr, wo er diesen Satz gelesen hatte, aber er war entschlossen, ihn zu finden. Es war während seines Germanistikstudiums in Marburg gewesen. Katharina hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Er erinnerte sich sogar noch an den Tag. Es war im Frühling gewesen. Sie hatte mit angezogenen Beinen auf der steinernen



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