Die Blutmesse von Florenz by Rainer M. Schröder

Die Blutmesse von Florenz by Rainer M. Schröder

Autor:Rainer M. Schröder [Schröder, Rainer M.]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
ISBN: 9783426422755
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2014-03-10T23:00:00+00:00


27

Pater Angelico fluchte, als er sich zwei Tage später auf dem Hof des Bargello die Kapuze über den Kopf zog. Die Hinrichtung kam ihm bei allem, was ihn bedrückte, so gelegen wie ein eitriges Geschwür am Hintern!

Der neue Henker von Florenz, der an diesem Tag sein Amt antrat, hörte das Fluchen in dem kurzen Moment der Stille zwischen zwei Schlägen der Todesglocke. Sein kantiger Kopf ruckte herum, und er bedachte den Mönch mit einem missbilligenden Blick aus froschartig hervorquellenden Augen.

Der Dominikaner antwortete mit einem übellaunigen Achselzucken und kehrte ihm den Rücken. Aber der stumme Vorwurf hatte seine Berechtigung, das musste er insgeheim zugeben. Derart lästerliche Äußerungen gehörten sich nicht für einen Mönch, schon gar nicht für einen, der die priesterlichen Weihen erhalten hatte und sich auf dem Weg zum Schafott befand. Deshalb schickte er zur Wiedergutmachung schnell ein geseufztes Ave-Maria hinterher – auch wenn er den Fluch im Grunde seines Herzen für mehr als angebracht hielt.

Eben noch war Florenz vom vielstimmigen, lebhaften Klang der Glocken seiner mehr als hundert Kirchen erfüllt gewesen. Sie hatten aus luftiger Höhe das Ende der Frühmesse verkündet und die Gläubigen in den jungen Märzmorgen entlassen. Wenige Minuten nach ihrem Ausschwingen hatte die Todesglocke des Bargello zu läuten begonnen.

Und wie anders klangen die harten, trockenen Schläge hier! Während der erste helle Schein des neuen Tages die trutzigen Wehrtürme und Zinnen der Stadtmauer vom Dunkel der Nacht befreite, fielen sie dumpf und mahnend vom gedrungenen Turm des Palazzo.

Den täglich vielfachen Ruf der Kirchenglocken zu Umkehr und einem gottgefälligen Leben mochten die Schurken und Verbrecher, egal ob sie in Lumpen oder Seide gekleidet waren, mit lästerlichem Hohn strafen oder schon gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. Die unbarmherzigen Hammerschläge der Todesglocke aber, die eine Hinrichtung ankündigten, erreichten im Labyrinth der verwinkelten Gassen und Straßen nicht nur die hintersten und finstersten Winkel, sondern erzwangen selbst bei den Abgebrühtesten unter dem Abschaum von Florenz Gehör. Und so manch einer empfand schlagartig eine würgende Beklemmung, als spüre er schon, wie die Galgenschlinge des Henkers sich um seine Kehle zuzog.

Im Innenhof des Bargello behaupteten sich in den grazilen Bögen des umlaufenden Säulengangs und auf der von steinernen Löwen bewachten Freitreppe noch die Schatten der Nacht, als der berittene Hauptmann der Gefängniswache den Befehl zum Aufbruch gab. Ein pockennarbiger, mürrisch dreinschauender Büttel des Podestà versetzte dem zotteligen Maulesel, der den stinkenden Karren mit dem zum Tode verurteilten Getreidehändler Galeotto de’ Boscoli zog, einen lustlosen Stockhieb auf das graufleckige Hinterteil, und mit träger Gelassenheit setzte sich das Tier in Bewegung.

So rumpelte der verdreckte und mit altem, verkrustetem Blut überzogene Schinderkarren über den Hof. Die Spitze des Zuges übernahm der Hauptmann, gefolgt von vier Fußsoldaten mit Hellebarden und dem Henker, der sich das blanke Richtschwert über die rechte Schulter gelegt hatte. Vier weitere Fußsoldaten sicherten den Zug nach hinten. Seitlich wurde das ekelhafte Gefährt von je zwei schwarzen Kapuzenmännern flankiert. In dieser Formation ging es durch den dunklen Tordurchgang des mächtigen Quaderbaus hinaus auf die Straße.

Auf der Piazza vor dem Bargello warteten schon einige Dutzend sensationslüsterne Gaffer.



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