Die Blender by Martin Keune
Autor:Martin Keune
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: bebra Verlag
veröffentlicht: 2014-06-08T22:00:00+00:00
Die Abendluft war warm, als Sándor eine halbe Stunde später die Karlstraße zur Friedrichstraße hinauflief, wo ihn die Lichter der Großstadt wieder umfingen. Hinter ihm in den Seitenstraßen hungerten kleine Lokale und Bühnen wie Sommerlatte’s Schanghai nach Kundschaft; hier dagegen, in Berlins traditionellem Amüsierviertel, standen die Menschen trotz aller Krisen noch immer Schlange vor den Nepplokalen, den Trinkhallen und den dubiosen Animierkaschemmen mit ihren schmuddeligen Separees und dem schlechten Schampus für viel zu viel Geld. Sicher, die Friedrichstadt war in die Jahre gekommen; die schillernderen Neueröffnungen und bombastischeren Etablissements gab es jetzt drüben im neuen Westen, am Wittenbergplatz, rund ums KaDeWe, am Tauentzien und Kurfürstendamm. Aber war hier in der Friedrichstraße nicht das richtige, das echte Berlin zu Hause – eine Stadt, die keine Schönheit mehr war, die es in ihrer Armut mit jedem trieb, der die paar Groschen dafür auf den Zahlteller legte, und die dafür großzügig darüber hinwegsah, ob derjenige Bügelfalten in der Hose hatte und einen gestärkten Kragen oder nicht? Das war das Berlin, das Sándor Lehmann liebte und kannte; auch wenn die Polizeiarbeit ihn meist rüber in den Westen brachte: Hier hatte er seine Wurzeln, hier schwamm er im Strom. Von hier an hätte er seinen Weg mit geschlossenen Augen zurücklegen können, so gut kannte er diesen Teil Berlins. Und weil auch Berlin selbst ihn so gut kannte, hätte man ihm nicht mal in die Taschen gefasst dabei. So blöd war in ganz Berlin keiner, Sándor Lehmann einen Fuffzjer aus der Tasche mopsen zu wollen.
Gegen zehn wurde das Gedränge auf den Straßen immer dichter; die Kurfürstenbrücke am ehemaligen Marstall brachte ihn über die Spree, und er ließ sich einfach treiben, hinüber zum Alexanderplatz, um den sich hier – wie schmutziges Badewasser um den Abfluss – alles drehte. Zwischen Heilige-Geist- und Klosterstraße umfing ihn ein Gewirr von Gassen; aus einem Hauseingang hörte er ein gegurrtes »Komm doch mal rüber, Großer« und gleich gegenüber ein rauchiges »Komm lieber hier rüber, schöner Mann«, das er mit einem freundlichen »Hallo, Rosi« beantwortete. Ein Kichern kam zurück. Automobile und zwei Pferdedroschken fuhren im Schritttempo vorbei; die Neue Friedrichstraße öffnete die Stadtkulisse wieder, machte Platz für größere Häuser, für von Säulen gerahmte Hauseingänge. In einer heranrumpelnden Straßenbahn wurde gesungen; unter der Eisenbahnbrücke traten drei Männer in SA-Uniformen auf einen Liegenden ein und rannten weg, als Sándor mit einem entschlossenen »He, stehen bleiben!« auf sie zulief. Hinter der Eisenbahnbrücke war die Luft ein, zwei Grad kälter; der unterirische Bahnhof tief unter seinen Füßen atmete kühle Tunnelluft durch Schächte, Röhren und Abzüge in die Berliner Nacht. Sándor überquerte den Platz mit hochgeschlagenem Mantelrevers; vor ihm in der Dunkelheit lag – fast unbeleuchtet, aber alles andere als schlafend – das Polizeipräsidium der Stadt Berlin.
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