Die Abnormen (German Edition) by Sakey Marcus

Autor:Sakey, Marcus [Sakey, Marcus]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: AmazonCrossing
veröffentlicht: 2014-04-28T22:00:00+00:00

KAPITEL 23

Chinatown bereitete der AEB schon immer Kopfschmerzen.

Nicht nur die von Chicago. Und nicht nur die AEB hatte Probleme mit diesen Vierteln. Überall im Land machten sie den Ordnungskräften zu schaffen. Sie waren geschlossene Systeme, Inseln innerhalb der Städte. Sie trieben Handel mit den anderen Bewohnern, lockten Touristen an, waren aber nie wirklich Bestandteil einer Stadt. Polizisten, die in einer Chinatown arbeiteten, bewegten sich in einer Blase. In einem kleinen Radius, der gerade so weit reichte, wie sie sehen konnten, herrschten amerikanische Verhältnisse. Diese Blase bewegte sich mit ihnen und verschwand auch wieder mit ihnen, ohne Spuren zu hinterlassen.

Das machte die Polizeiarbeit so schwierig. Es gab auch nicht viele chinesische Polizisten, und Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen fielen sofort auf. Das Problem war nicht nur die Sprache. Nichtchinesen wussten meist nicht einmal, welche Fragen sie stellen sollten und wie. In einer so abgeschirmten Welt, einer so eingeschworenen Gemeinschaft, die ihre eigenen Autoritätspersonen und inneren Konflikten hatte, ihren eigenen Gerechtigkeitssinn und ihr eigenes Rechtssystem, was sollte ein Polizist von außerhalb da schon ausrichten? Dieses Problem hatte es schon gegeben, lange bevor die Begabten auftauchten und die Sache noch weiter verkomplizierten.

Es war kurz nach Mitternacht und der Fluss ein schwarzes Band. Leichtindustrie und Lagerhäuser wichen dicht stehenden Ziegelbauten, mit grünen Markisen und Pagoden geschmückt, und Läden mit knallbunten Schildern und Schriftzeichen, die für Cooper wie wilde Pinselstriche aussahen. Manchmal standen unter der chinesischen Schrift seltsame Übersetzungen wie: ESSEN ODER NEHMEN MIT, BESTE ALLE KAMERAS, NUDELFRISCH LADEN. Verschwimmende Neonlichter ließen die Nacht in Science-Fiction-Farben erstrahlen.

»Wo wohnen Ihre Freunde?«

»In einer Seitengasse der Wentworth Avenue. Parken Sie hier irgendwo. Den Rest laufen wir.«

Er fand einen Parkplatz an der Archer Avenue. Als er aussteigen wollte, sagte sie: »Lassen Sie die Waffe hier.«

»Bitte?«

»Das sind meine Freunde. Ich geh nicht mit einer Waffe zu ihnen.«

Cooper sah sie eine Weile an und wünschte, er hätte Samanthas Fähigkeiten, könnte die wahre Shannon sehen und ihre Beweggründe verstehen. Sollte das ein Trick sein? Ihn erst entwaffnen und dann zu mehreren über ihn herfallen? Sie hielt seinem Blick stand. Cooper zuckte mit den Schultern, nahm das Halfter von seinem Gürtel und schob es unter den Sitz.

»Danke.«

Shannon lief einen halben Schritt vor ihm her. In den Schaufenstern war eine unglaubliche Ansammlung von Plunder zu sehen: winkende Katzen, bunte Fächer und Ninja-Schwerter aus Plastik. Touristenramsch, aber die Touristen waren ins Bett gegangen. Es waren nur noch Leute aus dem Viertel auf der Straße und viele schienen sich zu kennen. Sie kamen an einem Metzgerladen vorbei, wo gerupfte Vögel an den Füßen aufgehängt im Fenster baumelten. »Also, woher kennen Sie diese Leute?«

»Lee Chen ist ein uralter Freund von mir. Er hat ein Geschäft hier.«

»Ja, aber wie haben Sie sich kennengelernt?«

»Ach, wissen Sie, wir sind beide Abnorme, die die Welt hassen, und haben uns gefunden, weil wir verwandte Seelen sind.«

»Aha.«

Sie grinste. »Wir waren zusammen auf der Highschool.«

Wenn sie zusammen die Schulbank gedrückt hatten und ihr Freund hier zu Hause war, war sie wahrscheinlich in Chicago aufgewachsen. Ein nützlicher Anhaltspunkt, falls er sie jemals suchen musste. »Irgendwie kann ich Sie mir gar nicht auf der Highschool vorstellen.

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