Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva by Wieland Christoph Martin
Autor:Wieland, Christoph Martin
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
Drittes Capitel
Innerliche Anfechtungen des Don Sylvio
Don Sylvio, dem das Gewäsche des Pedrillo beschwerlich war, bediente sich des Vorwands, daß er während der Nachmittags Hitze ein paar Stunden ruhen möchte, um ihn zum schweigen zu bringen. Er stellte sich als ob er schliefe, und Pedrillo folgte seinem Beispiel bald darauf in vollem Ernst; aber Don Sylvio war zu unruhig, als daß er hätte schlafen können. Tausend quälende Gedanken, die wider seinen Willen in ihm aufstiegen, brachten ihn endlich so weit, daß er zum erstenmal ein Mißtrauen in die Wahrheit seiner Einbildungen zu setzen anfing. Wie? dacht er, wenn die Erscheinung, die ich von der Fee Radiante zu haben glaubte; ein bloßes Spiel einer erhitzten Phantasie gewesen wäre? Je mehr er dieser Vermutung nachsann, je wahrscheinlicher fand er sie, und die unglückliche Begebenheit mit den Gras-Nymphen, die er nun ziemlich geneigt war für das zu halten, was sie würklich waren, trieb diese Wahrscheinlichkeit in etlichen Minuten bis zur Gewißheit hinauf; denn es schien ihm unbegreiflich, daß ihn die Fee Radiante den Fäusten und Knitteln dieses groben Bauergesindels preis gegeben haben würde, wenn sie ihm würklich ihren Schutz versprochen hätte.
Diese Zweifel ängsteten ihn unaussprechlich, er raffte alle seine Kräfte zusammen, sich ihrer zu erwehren, aber sie kamen immer mit verdoppelter Stärke wieder, und der Aufruhr, den sie in einem Gehirn erregten, ward zuletzt so wild, daß der Überrest von Vernunft, den ihm die Feerei noch gelassen hatte, in größter Gefahr war, vollends darüber verloren zu gehen.
In diesen betrübten Umständen war das Bild seiner geliebten Schäferin das einzige, was in seiner von Zweifeln gleichsam überschwemmten Seele noch empor ragte, und im allgemeinen Umsturz seiner Ideen unerschüttert blieb. Wenn auch alles andre Einbildung ist, rief er, so weiß ich doch gewiß, o! du namenlose Unbekannte, daß es keine Einbildung ist, daß ich dich liebe. Es mag nun eine Fee sein, die dein Bild in meinen Weg gelegt hat, oder ein glückliches Ungefähr mag es dahin geworfen haben, du magst eine Princessin oder Schäferin sein, du magst für mich bestimmt sein, oder einst von einem glücklichern, als ich geliebt werden, du, die jetzt die schönste unter den Nymphen des Himmels bist: Wenn mein Verhängnis es so will, daß ich, deiner beraubt in Hoffnungloser Liebe verschmachten soll, so ist doch keine Gewalt, die dein Bild aus meiner Seele reißen kann. Ich will dich suchen, durch alle Länder und Meere des Erdkreises, von einem Pol zum andern, vom ewigen Schnee der Cimmerischen Gebürge, bis in die glühenden Zonen, wo kein schattender Baum, keine kühle Quelle die brennende Hitze mildert, und wenn ich dich nicht finde, und die Erde dich, ihre schönste Zierde schon verloren hat; was kann mich hindern, daß mein verlangender Geist von der Gewalt seiner unsterblichen Liebe empor gezogen, von Sphäre zu Sphäre irre, dich da zu suchen, wo deine Schönheit alle die namenlose Schönheiten des Ethers verdunkelt, oder herab in die unterirdischen Gegenden steige, und unter den Schatten dich suche, die von deinen Augen angestrahlt den Verlust des Tages nicht mehr beklagen, und ein süßes Vergessen aller andern Wünsche aus deinen Blicken saugen.
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