Die 101 wichtigsten Fragen - Geld und Finanzmärkte by C.H.Beck
Autor:C.H.Beck
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406637094
Herausgeber: C.H.Beck
51. War Bretton Woods wirklich idyllisch? 1944 fand im idyllischen Urlaubsort Bretton Woods am Mount Washington in New Hampshire eine Konferenz statt, auf der man die Weltwährungsordnung für die Nachkriegsperiode vereinbarte. Eines der Ergebnisse war die Errichtung der Weltbank (eigentlich: Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) und des Internationalen Währungsfonds. Ein zweites Ergebnis war die Vereinbarung eines Währungssystems, das auf festen Wechselkursen mit dem Dollar als Leitwährung beruhte, sowie einer Einlösepflicht des Dollar in Gold, die allerdings nur für Zentralbanken galt. Das ist das System von Bretton Woods, das von 1945 bis 1973 das Wechselkursregime der kapitalistischen Welt bestimmte. Vertreter der Sowjetunion hatten zwar an der Konferenz von Bretton Woods teilgenommen, aber die Ziele von Bretton Woods, freie Märkte und Konvertibilität, blieben den Planwirtschaftlern fremd.
Das Motiv, noch während des Krieges die Pflöcke für eine Nachkriegsordnung einzuschlagen, lieferten die traurigen Erfahrungen der Zwischenkriegszeit. Damals war die Wiederbelebung des Goldstandards missglückt, und das Zusammenspiel von flexiblen Wechselkursen und einer unkoordinierten, protektionistischen Wirtschaftspolitik ließ den Welthandel schrumpfen und die nationalen Wirtschaften stagnieren. Den flexiblen Wechselkursen schrieb man vor allem zwei Schwächen zu: Sie fördern Unsicherheit, was dem Handel schadet, und sie neigen zu übertriebenen Ausschlägen, weil die Spekulanten mit ihren Erwartungen jede Bewegung vergrößern.
Angestrebt wurde deshalb ein System mit festen Wechselkursen, das aber gleichzeitig Vollbeschäftigung und Wachstum nicht in Gefahr bringt. Das ist fast die Quadratur des Kreises, und es ist wohl kaum Zufall, dass das System von Bretton Woods nur in der langen Phase des Nachkriegswachstums problemlos funktionierte. Es brach in dem Moment zusammen, als diese Phase Anfang der 1970er Jahre zu Ende ging. In der darauf folgenden Krise trieb der Geist des kurzsichtigen nationalen Protektionismus wieder sein Unwesen.
Technisch basierte das System auf einem Gold-Dollar-Standard. Auf Grund der Eintauschpflicht zu einem festen Goldpreis war der Dollar also so gut wie Gold – wenn nicht sogar besser. Denn Gold ist totes Kapital und sein Wert hängt am Goldpreis, während man Dollar zinstragend anlegen kann. So entwickelte sich der Dollar zur Reservewährung der Welt. Die Welt wird durch Zahlungsbilanzdefizite der USA mit Dollar versorgt, das heißt durch einen Importüberschuss oder einen Nettokapitalexport. Anfangs sprudelte diese Quelle spärlich. Man sprach von Dollarmangel, und der Marshall-Plan war unter anderem eine Maßnahme, diesem Mangel abzuhelfen.
Ein System wie dasjenige von Bretton Woods ist in mehrfacher Hinsicht asymmetrisch. Ein Land, das viel exportiert und Zahlungsbilanzüberschüsse hat, kann diese unbeschränkt ansammeln, ohne reagieren zu müssen. Dadurch steigen nur die Währungsreserven und – das ist der Nachteil – die inländische Geldmenge, wenn der Zustrom nicht sterilisiert wird. In dieser Situation befand sich Deutschland die längste Zeit.
Ein Land mit Zahlungsbilanzdefizit dagegen trifft in seinen Währungsreserven schnell auf Grenzen, mit denen das Defizit ausgeglichen werden muss. Verstetigt sich das Defizit, ist eine Anpassung des Wechselkurses erforderlich. Eine solche Situation lockt natürlich Spekulanten an.
Die zweite Asymmetrie besteht in der Position der USA. Da der Dollar Reservewährung ist, können die USA Zahlungsbilanzdefizite mit ihrer eigenen Währung begleichen, die sich bei Bedarf nachdrucken lässt. Das heißt, die USA kennen keine Grenze für Defizite.
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