Deutsche Demokratische Rechnung by Dietmar Dath

Deutsche Demokratische Rechnung by Dietmar Dath

Autor:Dietmar Dath [Dath, Dietmar]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Eulenspiegel Verlag
veröffentlicht: 2015-04-10T16:00:00+00:00


Drei: Die Welt ist kein sicherer Ort

Kopetzkys Büro befindet sich am hinteren Ende eines anderen, größeren Büros, als hineingeschachtelter Glaskasten, dessen Wände das Reich eines offensichtlichen Chefs von den Mehrpersonentischen seiner sechs Untergebenen trennen. Bevor sie den Kasten betritt, schaltet Vera ihr Smartphone aus. Falls der Mann dann selbst angerufen wird, hat sie einen vagen moralischen Vorteil, etwas, das sie mehr spürt als denkt: Ich jedenfalls werde voll bei der Sache sein. Ein wenig ist das auch als Ausgleich für die Saumseligkeit gemeint, die sie sich in der Wohnungsangelegenheit bislang hat zuschulden kommen lassen.

Kopetzky sieht aus wie ein etwas verhungerter Hamster in einem zu großen grauen Anzug. Seine Haare lässt er sich anscheinend mit einem ganz kleinen Rasenmäher frisieren, sein Lächeln ist leicht säuerlich, seine Stimme aber angenehm, schnurrend, samtig: »Bitteschön, setzen Sie sich doch! Was zu trinken?«

Vera lehnt ab.

Er sagt seiner telepathisch herbeibefohlenen Assistentin: »Espresso reicht.« Die fliegt davon

Zwischen Vera und dem Makler, auf einem mokkafarbenen Tisch, liegen Papiere, rechts daneben steht ein Schälchen mit Büroklammern in gelber Gummiverkleidung. Eine davon ist aufgebogen zu einer langen Nadel. Vera hat die plötzliche, ebenso spaßige wie gruslige Eingebung: Damit popelt der verhungerte Hamster manchmal in seinen Ohren herum, wenn er vom vielen Handytelefonieren verklebte Gehörgänge kriegt.

Kopetzky schaut sie erwartungsvoll an, als wollte er sagen: Und wie machst du uns zwei jetzt reich, fremde Frau?

Ein tiefes, kehliges Lachen juckt in Veras Hals, aber sie nimmt sich zusammen und sagt: »Es ist nämlich folgendermaßen …«

Der Satzanfang nutzt einen alten Trick, den Vera bei ihrem Vater aufgeschnappt hat – das Wörtchen »nämlich« tut so, als wäre man bereits mitten im Gespräch, es überspringt gleichsam eine ganze Reihe Hürden der Verständigung. Wer dazu dann noch »folgendermaßen« sagt, etabliert Führung – man wird, ob freiwillig oder nicht, beim bloßen Zuhören unausweichlich zur Gefolgschaft.

Es klappt. Der Hamster scheint die Ohren aufzustellen. Vera muss ein wenig an ihm vorbeischauen, um nicht doch noch zu lachen. Was sie ihm erklärt, hat sie sich vorher in der S-Bahn ganz genau zurechtgelegt. Sie hört sich selbst daher nicht einmal richtig zu, es ist, als rede nur ihr Mund, während sie in Gedanken immer noch die mathematischen Katastrophenflächen von gestern Abend begeht, dreht, wendet.

Die generelle Tendenz ihres kleinen Vortrags ist in den beiden abschließenden Sätzen so präzise wie überhaupt vorstellbar zusammengefasst: »Das bedeutet, ich kann erst in zwei Wochen wirklich alles ausräumen, will aber nur die Papiere und einige der Bücher selbst haben, möchte alles andere entweder verschenken oder auf eBay loswerden, wobei mir ein Frankfurter Freund helfen wird. Ich hab’s aber andererseits durchaus eilig mit dem Vermieten und würde mir außerdem die Leute gerne selbst ansehen, meinetwegen auch schon in zwei Wochen.«

»Das heißt«, sagt der Mann – der während ihres Monologs so gut wie gar nichts getan oder gesagt, lediglich seinen Espresso entgegengenommen und ein einziges Mal an diesem genippt hat – und faltet die Hände auf dem Tisch wie ein Fernsehgeistlicher beim Wort zum Sonntag, »ich kann eigentlich jetzt gleich eine Anzeige aufgeben. Dann kommen Sie wieder, und die Leute



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.