Der verlorene Freund: Roman (German Edition) by Domínguez Carlos María

Der verlorene Freund: Roman (German Edition) by Domínguez Carlos María

Autor:Domínguez, Carlos María [Domínguez, Carlos María]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2013-04-14T22:00:00+00:00


Vier

»Der falsche Stecker«, wiederholte der Mann, ohne den Jungen anzusehen, der sich am Kopf kratzte, die Mütze in der Hand. »Einen flachen wollte ich«, schimpfte er hinter dem halb zusammengebauten Kühlschrankmotor. Als er mich erblickte, hielt er mitten in einem Fluch inne, während der Junge seine Mütze zerdrückte. Ich war einem Schwein ausgewichen, hatte einen offenen Hof überquert, von dem mehrere baufällige Zimmer abgingen, und die Rezeption erreicht, wo der Hausherr verbissen damit beschäftigt war, alles Mögliche zu reparieren oder, wer weiß, zu ruinieren. An diesem Mittag hatte er sich die Küche vorgenommen, und mit derselben Feindseligkeit, mit der er mir mitgeteilt hatte, die Herberge werde renoviert, scheuchte er ein paar Gänse zur Seite und führte mich zum einzigen Zimmer, das zur Verfügung stand, ein Holzverschlag hinter dem Haus mit einem Fenster, das auf ein leeres Gelände blickte. In der Ferne sah man die Berghänge und noch weiter hinten den blauen, versengten Himmel, an dem kein Vogel flog. Ich hatte ihn für mich einnehmen wollen, aber jetzt war der Mann noch verärgerter, und so ging ich hinaus auf die Straße, zündete mir eine Zigarette an und wartete auf den Jungen.

Die Sonne machte sich an ihren Abstieg und die Einheimischen daran, die Gehwege mit Stühlen, Kindern und Hunden zu füllen. Aus dem Lokal des Gesellschaftsclubs gegenüber drang ein Gewirr von Stimmen und brasilianischer Musik, und immer, wenn ein Motorrad vorüberfuhr, hüllte sich die Luft in rote Staubpartikel, die im Licht hingen wie schwebende Überreste einer Explosion. Bewegung war in den Straßen, aus einem Garten kam der Duft nasser Erde, und der Asphalt, die Mauern, die Alleebäume verbreiteten einen trockenen Hauch, bei dem sich die Haut zusammenzog und die Kleider steif wurden.

Als der Junge herauskam, gingen wir gemeinsam zur Ecke, wo die Allee abbog und an einem unbebauten Grundstück mit einem verbogenen Riesenrad vorbeiführte. Ein Schuppen stand daneben, und Schuppen wie Rad neigten sich in zäher Eintracht nach rechts. Jonathan hatte gerade die Volksschule abgeschlossen und wollte fort nach Rivera. Er hatte einen Onkel jenseits der Grenze in Livramento, die Illusion, bei Frontera zu spielen, und als Grundstock seiner dreizehn, vierzehn Jahre ein Paar Turnschuhe mit Leuchtsohlen. Alle zwei, drei Schritte zog er den Schirm seiner Mütze tiefer und hob den Kopf, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er sich verstecken oder gesehen werden wollte. Er könne mir eine Freundin besorgen, sagte er, und zum Friedhof gehe es vorbei am Krankenhaus, dann um die Ecke Richtung Tacuarembó. Er sei schon lange nicht mehr dort gewesen, bezweifle aber, dass man ihn verlegt habe.

Sein Blick und seine langen Beine schienen eine Art Verwegenheit zu erproben, und womöglich verwarf er mehrere Sätze, bevor er sich für einen entschied. Die Nase bahnte sich ihren Weg in einem hageren Gesicht, und die Augen, versunken unter den Brauen und dem Mützenschirm, wanderten von einer Straßenseite zur anderen. Er musste bei der Hotelrenovierung helfen, obwohl ihm das mit den flachen oder runden Steckern gar nicht lag. Fußball und Tanzen, das liege ihm, und wenn ich Gesellschaft wolle, betonte er noch einmal, er wisse, wo er sie beschaffen könne.



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