Der verbotene Duft by Brigitte Janson
Autor:Brigitte Janson
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-06-19T20:24:53+00:00
19
Claras Werkstatt in der Villa Bardenstein war vom sommerlich satten Duft Tausender Rosenblüten erfüllt. Er drang nebenan durch die große Küche und zog von dort aus in die Wohnräume weiter.
»Du meine Güte!«, rief Elisabeth aus. Sie betrat den weiß verputzten Raum und betrachtete die Körbe voller Blüten in allen Rotschattierungen. »Ich vermute mal, dass ich die längste Zeit einen Rosengarten besessen habe. Und dabei haben wir erst Juni!«
Clara senkte den Kopf. »Es tut mir leid, ich wollte nur …«
»Schon gut.« Elisabeth winkte ab und ließ sich auf einen Schemel fallen, den einzigen Platz, der nicht mit Körben zugestellt war.
»Nun, da bedaure ich es fast, dass wir ein so schönes und mildes Frühjahr hatten. Nach einem kalten und eisigen Mai hätten meine Rosen es nicht gewagt, jetzt schon zu blühen.«
Sie ließ einige Blüten durch die Finger rieseln. »Ich hätte mich auf einem romantischen Spaziergang noch eine Weile an den Knospen erfreuen können.«
Clara lächelte. »Du machst keine romantischen Spaziergänge. Du arbeitest von früh bis spät.«
Elisabeth verzichtete auf einen Kommentar.
»Ich nehme mal an, du hattest dabei eine Verbündete?«
»Amelie hat mir geholfen«, gab Clara zu. Dann vergaß sie ihr schlechtes Gewissen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Rosen wachsen wieder nach, liebste Elisabeth, aber du weißt, ich muss noch so viel lernen.«
Aufmerksam studierte sie das Gesicht der älteren Freundin und atmete auf, als sie keinerlei Missbilligung darin entdeckte.
Diskussionen hatte es schon mehr als genug zwischen ihnen gegeben.
Seit sie im Frühjahr vor einem Jahr damit begonnen hatten, die Bücher der Familie Leclerc und das Notizheft ihres Vaters mit den Rezepturen zu übersetzen, war Clara wild entschlossen, jeden einzelnen Arbeitsschritt zur Parfumherstellung selbst auszuprobieren.
»Was deine Vorfahren noch betrieben haben, ist heute aber nicht mehr vonnöten«, erklärte Elisabeth immer wieder. »Schon dein Vater schrieb, er habe nur noch mit bereits fertigen Duftessenzen gearbeitet, um ein Parfum zu entwickeln. Und ich habe mich erkundigt. In Paris gibt es einen hervorragenden Exporteur von Ölen, Tinkturen und Essenzen sämtlicher Blumendüfte.«
Sodann zählte sie auf, dass dieser Händler auch aromatische Düfte wie Lavendel und Rosmarin, Zitrusdüfte wie Orange und Zitrone und sogar die selbst in Paris zurzeit wenig geschätzten tierischen Duftstoffe wie Moschus, Ambra und Zibet auf Lager habe. »Es heißt ja, die vornehme Pariserin lehne neuerdings jegliches schwere, animalische Odeur grundsätzlich ab. Leichtigkeit und Frische sollen groß in Mode sein. Und was für die Pariserin gut ist, das gilt wohl für die Hamburgerin allemal. Ich selbst benutzte ja auch nur hin und wieder einen Tropfen Kölnischwasser. Wie dem auch sei. Du musst die Essenzen wirklich nicht selbst herstellen. Wir können alles aus Paris kommen lassen.«
Clara hatte nicht mit sich reden lassen. Während sie mehr als ein Jahr lang vormittags von Hauslehrern in Fächern wie Französisch, Mathematik, Chemie und Botanik unterrichtet wurde und dabei Wissen in sich aufsog wie eine Wüstenblume das erste Wasser nach langer Trockenheit, begab sie sich am Nachmittag und am Abend auf die Spuren ihrer Vorfahren.
Sie presste Blüten und Samen, filterte die Duftstoffe heraus, vermischte sie mit Alkohol, probierte weiter und experimentierte voller Freude in der Werkstatt, die Elisabeth ihr hatte einrichten lassen.
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