Der unsichtbare Kreis by Bernd Ulbrich
Autor:Bernd Ulbrich [Ulbrich, Bernd]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Ein unglaublicher Planet
Der Großkreuzer des intergalaktischen Liniendienstes hatte die Lichtmauer überwunden. Wie ein Schemen jagte er durch den Hyperraum. Seine Existenz war mit keinem sinnlichen Begriff mehr zu beschreiben. Er hatte sich aufgelöst in eine metaphysische Unendlichkeit, unsichtbar, unmeßbar, weder konkrete noch mathematische Größe.
Die Reisenden waren wohlauf. Ein schwingender Ton zeigte an, daß der Sprung in die andere Dimension vollzogen war. Für die Gehörlosen gaben Lichtsignale die Entwarnung, bei den reinen Tastern vibrierten die Segmente unter ihren Fühlern.
In achtundvierzig Stunden würde sich das gleiche in umgekehrter Richtung wiederholen. Millionen Lichtjahre von der Magellanschen Wolke entfernt, würde die Raumscheibe wieder in den Normalraum transferieren.
Grünspan lehnte sich zurück. Ihm war warm. Die Luft roch fad, eigentlich nach nichts. Sinnlos, sich über die Hitze zu beschweren, er reiste in der Touristenklasse. Die nichtirdischen Reisenden litten sicherlich ebenfalls, allerdings unter der ungewohnten Kälte.
Unfähig, sich einen Hauch Kühlung zu verschaffen, erschlaffte er vollends. Dann jedoch verfluchte er seine Empfindlichkeit und raffte sich auf.
Mit tiefem Unbehagen erlebte er jedesmal das unbegreifliche Manöver, und in quälerischer Lustaufwallung wartete er auf die Katastrophe. Mehr als hundert Raumdurchgänge lagen hinter ihm. Genausooft war er von den Toten auferstanden, mit grimmiger Erbitterung und in der Gewißheit: Eines Tages würde die verdammte Technik auseinanderbersten, irgendwann. Sein Direktor würde eine kleine Rede halten, ihn ein Opfer seines Pflichtbewußtseins nennen. Die Medaille für treue Dienste wäre fällig. Postum!
Enttäuscht ließ er die Sessellehnen fahren, zog ein Tüchlein aus der Tasche, tupfte sich die Stirn. Tief inhalierte er die Essenzen, mit denen es getränkt war. Er fühlte sich verbraucht, ausgelaugt von den Strapazen des Berufs. Seine Mission war längst erfüllt. Was hinderte ihn, mit dem nächsten Charter zur Erde zurückzukehren, um sie nie wieder zu verlassen? Ehrgeiz? Nein. Er trug in sich den Willen zu helfen, eben sein kosmisches Bewußtsein. Er schloß die Augen.
Perhaldous, der Planet der Wohlgerüche, zu schwach der Ausdruck, es waren Symphonien, Düfte wie Träume. Das Fächern seiner Hand erstarb. Er war berauscht von überirdischen Aromen. Auch das würde ihm fehlen auf der Erde. Der Gedanke, jetzt zurückzukehren, erfüllte ihn mit Wehmut. Und doch, plötzlich erinnerte er sich lang entbehrter Dinge. Die Augen wurden ihm feucht. Wie lange hatte er die Erde nicht gesehen? Seine Erde, die Einzige, sein paradiesischer Planet, blau wie das Auge Manas, rein und licht…
Ein hilfesuchendes Röcheln unterbrach seine Meditation. Er setzte sich jäh auf und spähte um die Kante seines Sessels. Der Zentralraum der Zelle war belegt mit Passagieren sauerstoffatmender Gattungen. Während der Transformation war es verboten, sich in den Kabinen aufzuhalten. Grünspan beugte sich weiter vor und begegnete zwei gelbglitzernden, irisgeschlitzten Augen.
»Würden Sie die Güte haben«, zischte der Nachbar, »die Quelle jenes unerträglichen Geruchs zu entfernen. Bemerken Sie die Abwehr meiner Pigmente nicht, oder ist Ihre Gattung farbenblind?«
In der Tat wies die chlorophyllfarbene Haut des Reisenden eine Anzahl gelber Flecke auf. Grünspan stammelte eine Entschuldigung.
Während er noch nach Worten suchte, zog sich der Fremde mittels dreier Tentakel an der Sessellehne hoch und schwenkte, indessen der Rest seines Leibes zusammengerollt auf dem Sitz verblieb, den oberen Teil des Körpers zur anderen Seite hinüber.
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