Der schwarze Schleier - Neu entdeckte Meistererzaehlungen by Charles Dickens

Der schwarze Schleier - Neu entdeckte Meistererzaehlungen by Charles Dickens

Autor:Charles Dickens
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Belletristik/Hauptwerk vor 1945
Herausgeber: Aufbau Verlag
veröffentlicht: 2012-02-14T10:52:12+00:00


Erstmals erschienen 1841 in »The Pic Nic Papers«, ursprünglich als Theaterstück 1838 veröffentlicht.

Der Signalwärter

»Hallo! Hallo, da unten!«

Als er eine Stimme hörte, die ihn so anrief, stand er an der Tür seiner Signalbude, die Fahne in der Hand um ihre kurze Stange aufgerollt. Man hätte gedacht, angesichts der Art des Terrains hätte er keinen Zweifel hegen dürfen, aus welcher Richtung diese Stimme kam. Aber anstatt hochzuschauen, wo ich am oberen Rand des steilen Einschnitts weit oben über seinem Kopf stand, drehte er sich herum und schaute die Gleise entlang. Es war etwas Bemerkenswertes an der Art, wie er dies tat, wenn ich auch um alles in der Welt nicht hätte sagen können, was es war. Aber ich wusste, dass es bemerkenswert genug war, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, obwohl seine Gestalt verkürzt erschien und überschattet war, wie er da unten in dem tiefen Graben stand und ich hoch über ihm aufragte und so in die Glut eines flammendroten Sonnenuntergangs eingetaucht war, dass ich mir die Augen mit der Hand beschatten musste, ehe ich ihn überhaupt sah.

»Hallo! Hallo, da unten!«

Nachdem er die Gleise entlanggeschaut hatte, drehte er sich noch einmal um seine eigene Achse, hob die Augen und sah meine Gestalt hoch über sich.

»Gibt es hier einen Pfad, auf dem ich zu Ihnen herunterkommen kann, um mit Ihnen zu reden?«

Er schaute zu mir hinauf, ohne zu antworten, und ich schaute zu ihm hinunter, ohne ihn zu bald mit einer Wiederholung meiner müßigen Frage zu bedrängen.

Genau in diesem Augenblick war ein undeutliches Beben in der Erde und der Luft zu verspüren, das schnell in ein gewaltiges Pulsieren überging und in einen sich nähernden Ansturm, der mich zurückweichen ließ, als besäße er die Macht, mich nach unten zu reißen. Als der Dampf, der von diesem Schnellzug zu mir hinaufstieg, an mir vorübergezogen war und nun über die Landschaft hinwegstrich, blickte ich erneut nach unten und sah, wie der Mann die Fahne, die er gezeigt hatte, als der Zug vorbeifuhr, wieder einrollte.

Ich wiederholte meine Anfrage. Nach einer Pause, in der er mich mit starrer Aufmerksamkeit anzublicken schien, deutete er mit der aufgerollten Fahne auf eine Stelle auf meiner Höhe, aber in etwa zweihundert oder dreihundert Metern Entfernung. Ich rief zu ihm hinab: »Gut!« und machte mich auf den Weg zu diesem Punkt. Dort fand ich, als ich mich genau umschaute, einen unebenen Pfad ausgekerbt, der im Zickzack hinab verlief und dem ich folgte.

Der Einschnitt war außerordentlich tief und ungewöhnlich steil. Man hatte ihn durch einen feuchtkalten Stein gehauen, der, je weiter ich nach unten kam, immer klammer und nasser wurde. Aus diesen Gründen blieb mir auf meinem langen Weg Zeit genug, mich an die einzigartige Gebärde des Zögerns oder der Widerwilligkeit zu erinnern, mit der er mir den Pfad gezeigt hatte.

Als ich den Zickzackweg weit genug hinuntergestiegen war, um den Mann wieder zu erblicken, sah ich, dass er zwischen den Schienen auf den Gleisen stand, über die gerade noch der Zug vorübergefahren war, und eine Haltung angenommen hatte, als wartete er darauf, dass ich erschiene.



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