Der rote Schrei by Mary Willis Walker

Der rote Schrei by Mary Willis Walker

Autor:Mary Willis Walker [Walker, Mary Willis]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2012-02-05T23:00:00+00:00


Kapitel 14

Da steht am Straßenrand allein

So ein Mädel, das wird fein.

Schnell bleib ich steh’n

Ihr Gesicht solltest du seh’n.

Trockene Kehle

Weint sich aus’m Leib die Seele

Wie eine Flut,

Schwitzt Wasser und Blut.

Bitte, bitte nicht.

Schatz, mach nicht so’n Gesicht

Ich tu dir nicht weh.

Schon ist es gescheh’n.

War das nicht schön?

LOUIE BRONK

Todestrakt, Ellis I Unit

Huntsville, Texas

Ein paar Minuten später ging die Tür auf der Häftlingsseite des Raums auf. Louie Bronk schlurfte herein, winzig zwischen den beiden Wachposten. Seine Hände steckten in Handschellen und waren an die Taille gekettet. Seine Füße waren zusammengekettet und gaben bei jedem Schritt ein metallisches Klirren von sich.

Ein Gefängniswärter verließ den Raum, während der zweite Louie zu dem Käfig führte, aufschloß und ihn auf den Stuhl setzte, wobei er ihn hart am Oberarm packte. Als er die Käfigtür abschloß, sagte der Wächter zu Molly: »Ich bin hier, Ma’am, falls Sie mich brauchen.« Er ging zurück zur Tür und stand dort in Habachtstellung.

Während dieser Prozedur blieben Louies Augen auf den Wärter geheftet. Er hielt den Kopf von Molly weggedreht und starrte weiter den Wärter an.

Molly schaute durch die vielen Lagen Maschendraht den Mann in dem Käfig an – ein Gnom in Sträflingshemd und -hosen aus einem rohgewebten weißen Stoff. An den Füßen trug er die billigen, weichen Schlappen, die alle Todeskandidaten bekamen.

Von Anfang an war Molly von dem Eindruck beherrscht gewesen, daß seine Erscheinung in jeder Hinsicht verkümmert war. Es war, als hätten seine ungewollte Geburt und vernachlässigte Kindheit nicht ausreichend Liebe und Nährstoffe zur Verfügung gestellt, um einen kompletten Menschen aus ihm zu machen. Er war klein und, abgesehen von der harten Wampe, die über seinen Gürtel hing, hager. Seine Haare waren schütter und dünn, seine Lippen nichts als graue Striche, die Augen kleine Schlitze, die dicht beieinander standen, ohne Wimpern oder Augenbrauen. Und seine Haut sah papieren aus, als ob sie seinen Körper nicht ausreichend bedecken könne; seine scharfe Hakennase, flachen Wangen und das lange Kinn sahen wie roher Knochen aus.

In den letzten zwei Jahren war er enorm gealtert, wie Tanya Klein gesagt hatte. Seine Haare waren jetzt noch dünner und vollständig ergraut, so daß man die Kopfhaut darunter sehen konnte, und seine Arme, die wenigstens sehnig und kräftig gewesen waren, waren erschlafft; die Haut auf der Unterseite hing schlaff herab und ließ die kruden blauen Figuren, die dort tätowiert waren, zu einem unerkennbaren faltigen Wirrwarr verschwimmen. Wenn sie nicht gewußt hätte, was die Tätowierungen darstellten – einen Falken, eine Schlange und eine nackte Frau – würde sie sie nun nicht mehr erkennen können.

Immer noch abgewandt, die Augen starr auf den Wärter gerichtet, rezitierte er in quäkendem Singsang:



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