Der letzte Mentsch by Salfati Pierre-Henry-Schuller Alexander

Der letzte Mentsch by Salfati Pierre-Henry-Schuller Alexander

Autor:Salfati, Pierre-Henry-Schuller, Alexander [Salfati, Pierre-Henry-Schuller, Alexander]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Der letzte Mentsch
Herausgeber: eBook Insel Verlag
veröffentlicht: 2017-04-04T16:00:00+00:00


Im »Astoria« hatten sie freie Auswahl. Das Zimmer war einfach, aber sehr sauber. Während Marcus direkt nach ihrer Ankunft auf sein Zimmer gegangen war, um zu schlafen, entschied sich Gül, in der schäbigen Bar noch einen Drink zu nehmen. Sie bestellte einen Gin Tonic. Der Longdrink entspannte sie, und sie bestellte gleich noch einen zweiten. Bis auf einen jungen Mann, der in einer Nische saß und sich mit seinem Laptop beschäftigte, war sie der einzige Gast in der kleinen Bar. Er trank ein Bier und schaute ab und zu herüber, aber Gül hatte keine Lust auf Quatschen, auch wenn er irgendwie nett aussah. Er hatte längeres, dunkelbraunes Haar, einen Drei-Tage-Bart und trug ausgewaschene Jeans, dazu ein lässiges Polohemd und Sneakers, ohne Socken. Also insgesamt kein schlechter Typ, wie Gül meinte, aber seit ihrem jüngsten Fehltritt im »Gellért« hatte sie erst einmal die Schnauze voll von flüchtigen Bekanntschaften. Sie nahm ihr halbvolles Glas, nickte ihm zu und schlenderte zur Rezeption, wo der Portier auf einem kleinen Fernseher ein Fußballspiel verfolgte. »Sprechen Sie Deutsch?«, fragte sie.

Der Portier schüttelte den Kopf. »English!«

»Okay. Haben Sie Internet? Und könnte ich vielleicht mal kurz rein?« Sie plinkerte mit den Wimpern. Ihrer Eintrittskarte ins Internet.

Am Morgen war es Gül, die zum Aufbruch drängte. Beim späten Frühstück präsentierte sie Marcus nicht nur ein billiges T-Shirt und eine Jeans, die sie sich gekauft hatte, sondern vor allem – nicht ohne Stolz – den vermutlichen Aufenthaltsort von Nikos Antapulos, seinem Freund aus Jugendtagen: Es gab einen Nikos Antapulos in Satu Mare, die dazugehörige Adresse war ein Schrottplatz am Rande der Stadt, und Gül wusste sogar schon, welche Buslinie dorthin fuhr. Marcus staunte, wie sie das alles herausgefunden hatte. Sie erklärte ihm, dass sie nur den Portier ein wenig hatte bezirzen müssen, und dann hätte sie eine gute Stunde im Internet herumgesurft.

Er sprach es zwar nicht laut aus, aber er war sehr erfreut darüber, dass er seine angestammte Rolle als Antreiber einstweilen niederlegen konnte.

Als sie eine Viertelstunde später im Bus durch die Stadt auf die andere Seite des Somes zufuhren, der die Stadt in zwei Hälften teilt, kehrten Marcus’ Lebensgeister zurück. Und als sie den großen Vasile-Lucaciu-Boulevard überquerten, schaute er plötzlich ganz aufgeregt aus dem verdreckten Busfenster.

»Was ist denn?«, fragte Gül, »entspann dich: Es sind noch mindestens zwölf Stationen!«

»Aber wir müssen hier aussteigen!«, rief er.

»Nee, wir sind noch nicht da!«, winkte sie ab.

»Keine Widerrede! Hier steigen wir jetzt aus! Komm!« Marcus sprang von seinem Sitz auf und hangelte sich an den Haltegriffen durch den schaukelnden Bus zum Ausgang. Gül musste ihm wohl oder übel folgen. Der Bus hielt, Marcus kletterte hinaus, und schon standen sie beide auf dem Bürgersteig. Der Verkehr brauste an ihnen vorüber, und er versuchte, sich zu orientieren. Schließlich deutete er auf eine Häuserecke, schräg gegenüber auf der anderen Seite des Boulevards. »Da müssen wir hin«, sagte er bestimmt und zog Gül am Ärmel mit sich.

»Was ist denn auf einmal los mit dir?«, fragte sie irritiert, aber er antwortete nicht, sondern beschleunigte bloß seinen Schritt. Hätte sie ihn nicht zurückgehalten, wäre er sicherlich bei Rot über die breite Straße gelaufen.



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