Der lange Weg zur Freiheit by Nelson Mandela
Autor:Nelson Mandela
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2010-10-12T04:29:08.687000+00:00
Ich verbrachte nur wenige Tage im Hospital des Forts, bevor ich nach Pretoria verlegt wurde. In Johannesburg hatte es in puncto Besuche keinerlei Beschränkungen gegeben, und ständig waren Menschen gekommen, um mich zu sehen. Besucher sind wichtig für die Stimmung des Häftlings, und ihr Ausbleiben kann entmutigend sein. Mit meiner Verlegung nach Pretoria wollten die Behörden mich aus heimatlichen Gefilden an einen Ort schaffen, wo weniger Freunde bei mir vorbeischauen würden.
Man legte mir Handschellen an, und zusammen mit einem anderen Häftling wurde ich in einem alten Polizeitransporter nach Pretoria gebracht. Das Innere des Fahrzeugs war schmutzig, und wir saßen auf einem schmierigen Reservereifen, der hin- und herrutschte, während der Wagen in Richtung Pretoria rumpelte. Die Wahl des Mitreisenden war sonderbar: Er hieß Nkadimeng und war Mitglied einer der gefährlichsten Gangs von Soweto. Normalerweise ließen die Beamten einen politischen Gefangenen nicht mit einem gewöhnlichen Kriminellen im selben Fahrzeug transportieren, doch ich vermute, man hoffte, Nkadimeng, vermutlich ein Polizeispitzel, werde mich einschüchtern. Als wir das Gefängnis erreichten, war ich schmutzig und verärgert, und meine Gereiztheit steigerte sich noch, als man mich zusammen mit diesem Burschen in eine Einzelzelle legte. Ich verlangte – und erhielt schließlich auch – einen separaten Raum, so daß ich meinen Fall vorbereiten konnte.
Ich durfte jetzt nur zweimal in der Woche Besucher empfangen. Trotz der Entfernung kam Winnie zweimal die Woche und brachte immer frische Wäsche und köstliche Nahrung mit. Auch auf diese Weise bewies sie mir ihre Unterstützung, und jedesmal, wenn ich ein frisches Hemd anzog, spürte ich ihre Liebe und Hingabe. Es war mir klar, wie schwierig es sein mußte, zweimal in der Woche tagsüber nach Pretoria zu reisen, mit zwei kleinen Kindern daheim. Ich wurde auch von vielen anderen besucht, die mir etwas zu essen brachten, darunter die allzeit getreue Mrs. Pillay, die mich täglich mit einem würzigen Mittagessen versorgte.
Die Großzügigkeit meiner Besucher brachte mich in Verlegenheit, denn so war ich in der Lage eines Reichen, der nicht wußte, wohin mit all seinen Gütern. Gern hätte ich die Lebensmittel mit den anderen Häftlingen auf meinem Flur geteilt. Doch das war streng verboten. Um diese Beschränkung zu umgehen, bot ich den Wärtern von den Lebensmitteln an, damit sie sich vielleicht nachsichtiger zeigten. Mit dieser Absicht hielt ich einen glänzenden roten Apfel einem afrikanischen Wärter hin, der ihn anschaute und ihn dann grob zurückwies mit dem Ausdruck »Angiyifuni« (»Ich will ihn nicht«). Afrikanische Aufseher sind in der Regel viel mitfühlender als weiße oder aber noch strenger, als wollten sie ihre Herren übertreffen. Doch kurz darauf sah der schwarze Wärter, wie ein weißer den von ihm verschmähten Apfel annahm, und er überlegte es sich anders. Bald versorgte ich all meine Mithäftlinge mit Lebensmitteln.
Durch die geheime Verständigung im Gefängnis erfuhr ich, daß auch Walter nach Pretoria gebracht worden war, und obwohl wir voneinander isoliert waren, konnten wir doch ganz leidlich miteinander kommunizieren. Walter hatte seine Freilassung auf Kaution beantragt – ein Entschluß, den ich voll unterstützte. Die Frage der Kaution ist beim ANC lange ein heikles Thema gewesen. Manche meinten,
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