Der kalte Kuss der Woelfe [10.11.14] by Natascha Kribbeler

Der kalte Kuss der Woelfe [10.11.14] by Natascha Kribbeler

Autor:Natascha Kribbeler
Die sprache: deu
Format: azw3, epub
Tags: Paranormal
ISBN: 9783958180147
Herausgeber: Forever
veröffentlicht: 2014-10-09T22:00:00+00:00


Kapitel 14

Wie sehr ich Regen, Zwielicht und Schatten spendende Bäume vermisst hatte, merkte ich erst jetzt. Je weiter wir in den Westen vordrangen, desto vertrauter wurde die Landschaft, und als wir uns nordwärts wandten, die Luft reiner und kühler wurde, war ich glücklich wie lange nicht. Wir beschlossen, dieses Mal noch ein wenig weiter in den Norden zu ziehen als zuvor. Die Luft bekam einen salzigen Geschmack, und plötzlich lag es vor uns: Das wilde Meer des Nordens. Diesen Anblick, der sich mir zum ersten Mal in meinem Leben bot, würde ich niemals vergessen. Der Tag war stürmisch und wolkenverhangen, und die grauen Wogen des Ozeans trugen weiße Schaumkronen. Krachend brachen sich die kraftvollen Wellen am feinen Strand, und winzige Tröpfchen der salzigen Gischt drangen bis in meine Lunge vor und belebten mich. Mein angestammtes Gebiet war immer schon der Norden gewesen, aber niemals zuvor hatte ich das Meer gesehen. Jahrtausendelang wurden seine Wasser in kilometerdicken Eispanzern gebunden. Nun jedoch hatte es sich befreit und wogte und rauschte vor meinen Augen. Es war wild, gewaltig und unbezwingbar, und ich wusste, dass ich meine Heimat gefunden hatte. Das Meer und ich, wir glichen uns in so vielem. Beide waren wir unsterblich, unendlich und unergründlich. Wir nahmen Leben, verschluckten Lebenskraft und ließen nur die leblosen Hüllen zurück. Doch ebenso spendeten wir Leben. Der Ozean und ich, wir waren Brüder.

Dort, an den Gestaden der eisig kalten, beständig heranrauschenden Fluten, überkam mich zum ersten Mal die Sehnsucht nach der Ferne. Was mochte dort hinter dem Wasser liegen, auf der anderen Seite des Meeres? Lebten dort Menschen? Vielleicht sogar andere Bluttrinker? In den ungezählten Jahrhunderten meines bisherigen Lebens war ich schon viel herumgereist, hatte viele Gegenden gesehen und Menschen verschiedener Völker kennengelernt. Niemals zuvor jedoch verspürte ich diese innere Unruhe. Die Sehnsucht nach dem Fremden, dem Ungewissen, sie wurde erst vom Nordmeer zum Leben erweckt. Es weckte die Phantasie in mir und mit ihr unzählige Fragen. Hatte ich auch damals noch keine Vorstellung davon, wie riesengroß die See war oder wie ich sie überwinden konnte, so wusste ich doch bereits, dass ich sie eines Tages bereisen würde. Ich würde es wagen, auch auf die Gefahr hin, dass dort nichts mehr kam, nur immer mehr Wasser, bis ans Ende aller Zeiten.

Auch Ularo und Fanna waren beeindruckt von der Weite des Ozeans, aber die tiefen Gefühle, wie ich sie verspürte, ergriffen nicht von ihnen Besitz. So zogen wir vorerst wieder ein wenig weiter zurück ins Landesinnere, denn noch waren die Ufer des großen Wassers kaum besiedelt.

Bei den Leuten der Rentiersippe ließen wir uns für einige Zeit nieder. Es waren junge, ungebundene Menschen, die mehr zwangsläufig als freiwillig durch die Wildnis zogen, um zu jagen. Ihre Familien waren sesshaft geworden, sie gehörten zu den ersten Bauern, die an einem Ort wohnen blieben, etwas Land bestellten und von ihren Ernten und Tieren lebten, statt wie in den Jahrtausenden zuvor als Jäger und Sammler herumzuziehen. Die Erträge ihrer harten Arbeit waren jedoch dürftig und reichten oftmals nicht aus, ihre beinahe



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