Der gute Liebhaber by Steinunn Sigurdardóttir

Der gute Liebhaber by Steinunn Sigurdardóttir

Autor:Steinunn Sigurdardóttir [Sigurdardóttir, Steinunn]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 9783644014510
veröffentlicht: 2013-11-18T05:00:00+00:00


Karl und Una fuhren nie wieder nach Beausejour, nicht einmal, um im Herbst ihre grünen und dunkelvioletten Oliven zu pflücken. Noch vor Ende des Jahres verkauften sie das Schlösschen aus dem achtzehnten Jahrhundert an einen Mann, den sie noch nie getroffen hatten, von dem sie nicht einmal wussten, wie er hieß; Lotta hatte sich um die Transaktion gekümmert. Stattdessen kauften sie ein neues Schloss, ein neues Paradies zwischen Pyrenäen und Strand auf der französischen Seite. Sie nannten es Beaulieu, und dort verlebten sie neue Traumstunden. Auch dort trug Karl ein Märchen vor, das Una zu unterschiedlichen Zeiten gehört hatte, in Beausejour und in Reykjavík.

Das Mädchen hinter dem Schirm

Es war einmal ein elfjähriger Junge, der mit seiner Mutter in einem Eckhaus in der Stadtmitte wohnte. Sie war Schneiderin und unglaublich musikalisch. Er hatte auch eine Halbschwester, die ebenfalls recht musikalisch war. Er selber spielte auf dem Klavier im Wohnzimmer, und genau das tat er an einem Wintertag, wo es draußen heftig schneite; es ging auf Weihnachten zu. In diesem Eckhaus nähte die Mutter im Wohnzimmer hinter einem asiatischen Paravent, während ihr einziger Sohn auf dem Klavier übte, und zu dem Zeitpunkt der Geschichte war er schon recht geschickt auf diesem edlen Instrument. An diesem Wintertag war der Sohn der Schneiderin ganz in seinen Chopin vertieft, als plötzlich ein dickvermummtes Mädchen mit Schneeflocken auf der Mütze im Wohnzimmer stand. Er vermutete, dass sie in seinem Alter war, was sich später als richtig herausstellte.

Darüber erschrak der junge Pianist, und um nicht bei der Anprobe des Weihnachtskleids im Wege zu sein, wollte er sich in die Küche zurückziehen und ein Glas Milch trinken. Doch da geschah das Wunder, das vielleicht, alles zusammengenommen, eines der größten Wunder in seinem ganzen Leben war. Das Mädchen sprach ihn mit leiser Stimme an, aus der mit der Zeit ganz sicher ein Mezzosopran werden würde. Sie sagte: Spiel weiter. Der Junge war wie vor den Kopf geschlagen und bekam Herzklopfen. Er sah in das gütige Gesicht seiner Mutter, um die Bestätigung dafür zu erhalten, dass der Wunsch des Mädchens durchaus nicht abwegig war. Seine Mutter erklärte rundheraus, dass er ihnen nicht im Wege sei.

Der Sohn spielte also weiter, und anfangs verhaspelte er sich aus Schüchternheit gegenüber dem fremden Mädchen ein paarmal. Aber bald zog ihn Chopin mit seinem Abschiedswalzer wieder ganz und gar in seinen Bann. Der Junge spielte wie nie zuvor und vergaß alles um sich herum. Und als er schließlich aufstand, hatte er die Anprobe im Wohnzimmer ebenfalls vergessen. Das führte dazu, dass er sah, wie ihr das Weihnachtskleid über den Kopf gezogen wurde, wobei nackte Knie und Beine zum Vorschein kamen, denn das Mädchen kannte keine Scheu und wurde nicht vollständig von dem Paravent verdeckt. Der Junge erschrak bei diesem Anblick heftig, doch es gelang ihm, sich nichts anmerken zu lassen. Er ging ganz ruhig in die Küche, so als sei nichts vorgefallen, und er konnte nicht sehen, dass ihr das etwas ausgemacht hätte.

In der Küche nahm er wie geplant das Glas Milch zu sich, und



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