Der große Gatsby by Fitzgerald F. Scott
Autor:Fitzgerald, F. Scott [Fitzgerald, F. Scott]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257601992
Herausgeber: Diogenes Verlag
veröffentlicht: 2012-08-27T22:00:00+00:00
7
Gerade als das Interesse an Gatsby auf dem Höhepunkt angelangt war, blieben eines Samstagabends in seinem Haus die Lichter aus – und so dunkel, wie sie begonnen hatte, endete seine Karriere als Trimalchio.
Erst allmählich nahm ich wahr, dass die Automobile, die erwartungsvoll in seine Einfahrt einbogen, nur kurz anhielten und beleidigt wieder davonfuhren. Ich fragte mich, ob er vielleicht krank war, und ging hinüber, um nachzusehen. Ein fremder Butler mit einer schurkischen Visage stand in der offenen Tür und musterte mich argwöhnisch.
»Ist Mr. Gatsby krank?«
»Nö.« Dann setzte er ohne Eile und recht unwillig »Sir« hinzu.
»Ich habe ihn einige Zeit nicht gesehen und mache mir Sorgen. Sagen Sie ihm, Mr. Carraway habe sich nach ihm erkundigt.«
»Wer?«, fragte er grob.
»Carraway.«
»Carraway. In Ordnung, ich sag’s ihm.«
Dann knallte er die Tür zu.
Meine Finnin erzählte mir, Gatsby habe eine Woche zuvor alle seine Hausangestellten entlassen und sie durch ein halbes Dutzend andere ersetzt, die nie nach West Egg Village gingen, um sich von den Händlern bestechen zu lassen, sondern ihre maßvollen Bestellungen telefonisch aufgaben. Der Laufbursche des Lebensmittelhändlers berichtete, die Küche sehe aus wie ein Saustall, und im Dorf glaubten alle, die Neuen seien überhaupt keine Hausangestellten.
Am nächsten Tag rief Gatsby mich an.
»Gehen Sie fort?«, erkundigte ich mich.
»Nein, alter Knabe.«
»Ich habe gehört, Sie hätten Ihr ganzes Personal auf die Straße gesetzt.«
»Ich wollte Leute im Haus haben, die nicht so viel reden. Daisy besucht mich recht oft – am Nachmittag.«
Die ganze Karawanserei war also zusammengestürzt wie ein Kartenhaus, weil sie vor Daisys Augen nicht bestanden hatte.
»Es sind alles Leute, für die Wolfshiem etwas tun wollte. Lauter Geschwister, die mal ein kleines Hotel hatten.«
»Aha.«
Daisy hatte ihn gebeten, mich anzurufen – ob ich morgen zum Mittagessen zu ihr nach Hause kommen könne? Miss Baker werde auch da sein. Eine halbe Stunde später rief Daisy selber an und wirkte erleichtert, als ich zusagte. Irgendetwas bahnte sich an. Und doch konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie diese Gelegenheit für eine Szene nutzen würden – schon gar nicht für die einigermaßen unerquickliche Szene, die Gatsby im Garten skizziert hatte.
Der nächste Tag war brütend heiß, beinahe der letzte, mit Sicherheit aber der wärmste des Sommers. Als mein Zug aus dem Tunnel ins Sonnenlicht hinausglitt, störten nur die heißen Sirenen der National Biscuit Company die siedende mittägliche Stille. Die Strohsitze des Eisenbahnwaggons waren kurz davor, in Flammen aufzugehen; die Frau neben mir transpirierte eine Zeitlang dezent in ihre weiße Hemdbluse, und als die Zeitung unter ihren Fingern immer feuchter wurde, brach sie mit einem kläglichen Stöhnen doch noch in Schweiß aus. Ihr Geldbeutel klatschte auf den Boden.
»Ach du meine Güte!«, keuchte sie.
Ich beugte mich ermattet vor, um ihn aufzuheben, und gab ihn ihr mit ausgestrecktem Arm und spitzen Fingern zurück, damit sie sah, dass ich keinerlei diebische Absichten hatte – aber alle Umsitzenden, einschließlich der Frau, verdächtigten mich trotzdem.
»Heiß!«, sagte der Schaffner zu bekannten Gesichtern. »Was für ein Wetter!… Heiß!… Heiß!… Ist es Ihnen heiß genug? Ist es heiß? Ja…?«
Als ich meine Dauerfahrkarte zurückbekam, war ein dunkler Fleck von seiner Hand darauf.
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