Der größte aller Ritter by Asbridge Thomas; Held Susanne

Autor:Asbridge, Thomas; Held, Susanne [Asbridge, Thomas; Held, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Mittelalter
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2015-11-25T16:00:00+00:00

Die Verteidigung des Königreichs

Richard landete am 13. August 1189 in England. Als Herzog der Normandie war er in Rouen bereits bestätigt worden. Seine Krönung fand am 3. September in der Westminster Abbey statt, drei Kilometer flussaufwärts von London. Anlässlich der Thronbesteigung Richards beschrieben mittelalterliche Chronisten zum ersten Mal die Krönungszeremonie eines englischen Königs in allen Einzelheiten. Die Histoire erwähnt es zwar merkwürdigerweise nicht, doch man weiß aus den besagten Beschreibungen, dass Guillaume le Maréchal im rituellen Ablauf dieses Tages eine wichtige Rolle spielte. Außerdem waren in der Abtei damals sein Bruder Jean Maréchal und sein Vetter William FitzPatrick von Salisbury unter den Anwesenden. Vor allem Jean profitierte offenbar von der erfreulichen Entwicklung der Laufbahn seines jüngeren Bruders. Da der ältere Maréchal unter Heinrich II. kaum Förderung erfahren hatte, hatte er sich in den letzten Jahren dem Bruder des Löwenherz, Graf Johann, angeschlossen, obwohl auch diese Verbindung seine Aussichten nicht spürbar verbessern konnte. Man weiß nicht, ob sich Guillaume aktiv um Gunsterweise für seinen älteren Bruder bemühte, allerdings kann man sicher sagen, dass Jeans Laufbahn nach 1189 eine kurzfristige Auffrischung erfuhr.20

Die Krönungszeremonie begann mit einer feierlichen Prozession, zu der laute »Lobgesänge« erschallten. Richard wurde vom Königspalast zum Abteiportal und dann zum Altar geleitet. Bischöfe, Äbte und weitere Geistliche gingen voran, sie trugen »Weihwasser, das Kreuz, Kerzen und Weihrauchgefäße«. Hinter ihnen kamen die führenden Beamten der Krone und die großen Barone des Königreichs, jeder trug Teile der königlichen Insignien und Prachtgewänder. Jean le Maréchal trug »ein Paar großer goldener Sporen«, Guillaume le Maréchal das königliche, von einem Kreuz gekrönte Szepter (eines der Schlüsselsymbole königlicher Autorität), und Guillaume von Salisbury den königlichen goldenen Stab, der oben in die Gestalt einer Taube auslief. Richards Bruder Johann hielt ein goldenes Schwert aus der königlichen Schatzkammer, und William de Mandeville hatte die Ehre, die »große, massive, an allen Seiten mit Edelsteinen geschmückte Krone« tragen zu dürfen.

Unter den Blicken von Guillaume le Maréchal und der versammelten Menge kniete Richard vor dem Altar nieder und schwor heilige Eide, die Kirche zu beschützen und gerecht zu herrschen. Der wichtigste Teil des Rituals wurde von Erzbischof Balduin von Canterbury ausgeführt. Löwenherz wurde bis auf Unterhemd und Hosen ausgezogen, seine Brust wurde entblößt. Der Prälat goss heiliges Öl auf Richards Kopf, Brust und Hände, die Körperteile, die Wissen, Tapferkeit und Ruhm repräsentierten. Dann wurden Richard die Königsgewänder angelegt, er bekam die großen Symbole seines Amts ausgehändigt, und zum Schluss wurde die gewaltige Krone auf sein Haupt gesenkt.

In den Augen aller Anwesenden, ja für sämtliche Christen war Richard Löwenherz damit von einem lediglich menschlichen Wesen in einen von Gott geweihten König verwandelt worden. Feierlich zog er wieder aus der Abtei hinaus, um – gerade einmal fünf Tage vor seinem 32. Geburtstag – sein neues Leben als Englands Monarch zu beginnen. Am Nachmittag und Abend wurde ein prachtvolles Fest gefeiert. Richard legte für seine Teilnahme an den langen, üppigen Feierlichkeiten die schweren Gewänder und die massive Krone ab und zog leichtere Kleider und ein einfaches Diadem an. Aus Rechnungsbüchern des Königshofs geht hervor, dass nicht weniger als 1770 Kannen und 5050 Teller für diesen Anlass gekauft wurden.

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