Der goldene Kelch by Eloise Jarvis McGraw

Der goldene Kelch by Eloise Jarvis McGraw

Autor:Eloise Jarvis McGraw
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2011-03-05T23:00:00+00:00


9

Am nächsten Morgen schleppte sich Ranofer zur Arbeit. Jeder Muskel schmerzte, die Striemen auf seinem Rücken brannten wie Feuer. Wie erwartet hatte ihm Gebu die halbe Wahrheit nicht geglaubt, nämlich dass er einfach vergessen hatte, seinen Lohn entgegenzunehmen. Die ganze Wahrheit hätte ihn vielleicht überzeugt, aber Ranofer wollte ihm auf keinen Fall erzählen, dass er bei Djau gewesen war. Der Junge hatte für sein hartnäckiges Schweigen einen hohen Preis bezahlt, aber lieber bezog er Prügel, als dass er vor Gebu sein Innerstes nach außen kehrte und seinen sehnlichsten Wunsch Gebus Hohn preisgab. Er hätte ihn nur verächtlich gemustert und seine ganze Hoffnung, die nach dem Gespräch mit Djau ohnehin sehr geschrumpft war, vollends zunichte gemacht.

Am Vormittag kam Gebu in die Werkstatt. Er knurrte Pai an, inspizierte die Arbeiten und trampelte schlecht gelaunt durch den Schuppen, sodass die Arbeiter sich noch tiefer über ihre Meißel und Bohrer beugten und jedes Gespräch verstummte. Ranofer polierte einen Quarzitblock mit Sandstein; er traute sich nicht aufzusehen, als Gebu ein paar Schritte entfernt neben einem halb fertigen Sarkophag stehen blieb. Er hatte das Gefühl, seine Haut würde sich zusammenziehen und ihn schrumpfen lassen, um die Entfernung zwischen ihm und seinem Halbbruder zu vergrößern, doch er hörte trotzdem die Stimmen von Gebu und Pai, die schließlich so laut stritten, dass sie das Klopfen und Klappern im Schuppen übertönten. „He, du! Ranofer!“, brüllte Pai plötzlich. Ranofer legte den Sandstein zur Seite und sah ängstlich auf.

„Hol den Plan vom Grab des Richters, die Papyrusrolle unten im Regal. Los, beeil dich!“

Ranofer lief so schnell zum Lager am anderen Ende des Schuppens, wie es seine schmerzenden Beine zuließen. Auf dem untersten Regalbrett lagen fünf Rollen. Er entrollte eine nach der anderen; vor lauter Eile war er ganz fahrig. Da er oft für Pai Rollen holen musste, war er inzwischen einigermaßen vertraut mit, diesen Zeichnungen; am Anfang aber waren sie für ihn nur unverständliches Gekritzel gewesen. Die Grabpläne sahen alle ähnlich aus, er konnte sie jedoch auf Grund bestimmter Einzelheiten auseinander halten. Das Grab des Richters hatte den schmälsten Eingang und nur zwei Seitenkammern neben der Grabkammer. Der fünfte Plan war schließlich der, den er suchte. Er schnappte die Rolle und lief zu Pai, der sie ihm aus der Hand riss, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

Ranofer war froh, dass Pai keine Notiz von ihm nahm. Erleichtert, ohne Züchtigung davongekommen zu sein, machte er sich wieder an die Arbeit. Da hörte er plötzlich Gebus wütendes Geschrei.

„Ich hab’s doch gesagt! Der Sarkophag ist zu breit. Siehst du das denn nicht, du Idiot?“, brüllte er Pai an. „Sollen die etwa kurz vor dem Begräbnis den Gang im Grab breiter machen?“

„Man kann den Sarkophag problemlos schmäler machen“, gab Pai beleidigt zurück.

„Dann mach ihn schmäler! Und in Zukunft tust du, was ich sage, oder ich suche mir einen anderen Vorarbeiter!“

Gebu rauschte mit einem Seitenblick auf Ranofer vorbei, Pai ihm nach. Die Rolle warf er Ranofer im Vorbeigehen vor die Füße. Ranofer kletterte von seinem Quader und wollte die Rolle ins Lager zurückbringen, da sah er Pai am Zahltisch.



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