Der glückliche Tote by Reinhard Rohn
Autor:Reinhard Rohn [Reinhard Rohn]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-95530-045-6
Herausgeber: Edel:eBooks
veröffentlicht: 2015-05-22T16:00:00+00:00
Wolken zogen über Köln auf. Ein Wärmegewitter kündigte sich an. Als Brasch nach Rodenkirchen fuhr, zuckten die ersten Blitze auf. Sie zerrissen den Himmel, der sich dann seltsam violett färbte, und plötzlich begann es heftig zu regnen. Er saß vor Kröbers Haus in seinem Wagen und hörte dem Regen zu. Über den nahen Fluss hatte sich eine unwirkliche Dunkelheit gesenkt, die nur gelegentlich von Blitzen erhellt wurde. Er dachte wieder an Britt Holgerson. Wenn sie tatsächlich schon irgendwo ihr Zelt aufgebaut hatte, würde es wahrscheinlich richtig ungemütlich für sie werden.
Brasch sah zum Haus hinüber; es war im Erdgeschoss hell erleuchtet, und er meinte, zwei Schatten wahrzunehmen, die hektisch hin- und herliefen. Gab es in Thailand keine Sommergewitter, oder was versetzte die verbliebenen Bewohner dieses ehrbaren Hauses so in Aufregung? Pia gegenüber war Brasch zu voreilig gewesen; die Ahnung, dass Madeleine und Claude mit Kröbers letztem Roman zu tun haben konnten, war ihm erst ein paar Momente zuvor gekommen. Als der Regen nachzulassen schien, sprang er aus dem Wagen und lief zum Eingang hinüber. Die wenigen Sekunden genügten, dass er vollkommen durchnässt war. Er drückte auf den Klingelknopf, doch nicht auf den untersten.
Wer auch immer hinter dem schlichten Schild »Bogner« stecken mochte, ließ sich Zeit, bevor er die Tür öffnete. Brasch ging an Madeleines Tür vorbei die Stufen hinauf. Selbst hier im Treppenhaus war das heftige Prasseln und Dröhnen des Wolkenbruchs zu hören. Dann schlich sich eine leise Musik in die Geräusche des Regens. Brasch verharrte vor der Tür in der ersten Etage, die lediglich einen Spalt offen stand. Er hatte sich nicht geirrt. Jemand spielte so lebendig und virtuos Geige, als wolle er den rauschenden Regen als Hintergrund für sein eigenwilliges Konzert nutzen. Brasch klopfte an die Tür, doch Familie Bogner war nicht sonderlich neugierig auf ihren unangemeldeten Besucher. Erst als er schon in einen dunklen Flur eingetreten war, schwebte ihm vom anderen Ende eine seltsame Gestalt entgegen. Ein Zauberer oder der König der Bettler kam da auf ihn zu: ein alter Mann mit langen grauen Haaren, der einen weißen zerfransten Bademantel trug, auf den golden glänzende Sterne gedruckt waren. Der Alte schaute ihn lächelnd an, seine Augen funkelten hinter einer schwarzen Hornbrille auf, und dann nickte er, ohne die Geige abzusetzen und sein heiteres Regenkonzert zu unterbrechen, als hätte er in Brasch einen guten Freund wiedererkannt.
Brasch hatte für einen Augenblick das unwirkliche Gefühl, auf einer Märchenbühne zu stehen. Gab es so etwas, eine Oper, in der die Darsteller nicht sangen, sondern sich mit ihren Instrumenten verständigten?
Abrupt brach der Alte plötzlich sein Spiel ab. Die Bewegung, wie er seine Geige von der Schulter pflückte, wirkte fließend und beinahe zirkushaft, als wäre er es gewöhnt, vor großem Publikum aufzutreten.
»Sieh an! Beehrt mich endlich die Polizei, der treue Freund und Helfer«, sagte er mit jeder Menge Spott in der Stimme. Nachlässig reichte er Brasch die linke Hand.
»Sie sind Herr Bogner?« Brasch zeigte ihm seinen Ausweis.
Der Alte deutete eine spöttische Verbeugung an. »Eigentlich heiße ich ›die Fiedel‹ Unter dem Namen bin ich jedenfalls früher immer aufgetreten.
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