Der blauen Sehnsucht Tod by Pons Brigitte

Der blauen Sehnsucht Tod by Pons Brigitte

Autor:Pons, Brigitte [Pons, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-10T16:00:00+00:00


Montag, 17. September, Vielbrunn, 10:25 Uhr

– Frank Liebknecht -

Langsam ging Frank den Weg zum Eingang hinauf, durch das eiserne Tor und weiter über den Friedhof, las die Namen auf den Grabsteinen und Kreuzen. In Baden-Baden begannen vermutlich genau jetzt die Glocken zu läuten. Die Hände in den Hosentaschen lief Frank den Hauptweg entlang bis in den hinteren Bereich. Es gelang ihm nicht, sich Linda im Sarg vorzustellen. Obwohl er sie tot vor sich gesehen hatte, fiel es ihm schwer, die Tatsache zu akzeptieren, dass sie nicht mehr lebte. Nicht mehr atmete. Nicht mehr existierte. Spürte er Trauer?

Er lauschte in sich hinein. Da war Erleichterung, dass er nicht dabei sein musste, wenn ihr Körper in die Erde versenkt wurde. Verwirrung, über alles, was passiert war. Sex, Lüge, Tod. Aber echte Trauer? Die Erinnerung an Linda begann bereits zu verblassen. Ihr Lachen, ihre Stimme und die Berührungen verloren an Substanz, fühlten sich fern an und fremd, als wäre ihre Begegnung nur ein Film gewesen. Besser für ihn, wenn er nicht länger versuchte festzuhalten, was der Vergangenheit angehörte. Es gab für ihn keine Chance mehr, herauszufinden, ob das, was zwischen ihnen geschehen war, Linda irgendetwas bedeutet hatte.

Frank hörte ein Geräusch und drehte sich um, dorthin, wo neben den neusten Gräbern die unberührte Rasenfläche anfing. Platzreserve für die, die noch kommen sollten. Auf der Mauer saß ein Mädchen und rauchte. Das wurde sicher nicht gern gesehen, aber da außer ihm niemand da war, sah er keinen Grund, sie zurechtzuweisen. Stand darüber etwas in der Friedhofsordnung? Es kümmerte ihn nicht wirklich. Interessanter erschien ihm zu klären, wieso sie da oben saß.

Er schlenderte näher und blieb vor ihr stehen. »Hi. Alles okay bei dir?«

Sie zog lässig die Hand mit der Zigarette durch die Luft. »Klar. Alles super.«

Ihr Blick wirkte trüb, passte nicht zu der abgeklärten Haltung.

»Was dagegen, wenn ich mich zu dir setze?«

Sie schüttelte den Kopf, und Frank kletterte zu ihr hoch. Ihre Füße steckten in Stiefeln, die Beine in einer zerrissenen Hose, darüber trug sie ein schwarzes Shirt. Ihr einziger Schmuck bestand aus einer grobgliedrigen Kette zwischen Gürtelschlaufe und Hosentasche und Sicherheitsnadeln, die sie kreuz und quer in den Stoff gesteckt hatte.

»Gibt es dafür eine besondere Bezeichnung?«, fragte Frank mit einer vagen Handbewegung, die ihre komplette Gestalt einschloss.

»Jess«, sagte sie und drückte ihre Kippe neben seinem Knie auf der Mauer aus.

»So wie die Musik, Jazz? Oder Chess wie Schach?«

»Hä?« Unter den strähnigen Haaren heraus guckte sie ihn verständnislos an. »Einfach Jess, kurz für Jessica.«

»Ach so, dein Name. Ich meinte deine Klamotten. Ob das Punk ist oder Emo oder so.«

»Nö. Nix. Ist halt mein Style.«

Frank musterte sie unauffällig. Die langen Haare verdeckten ihre rechte Gesichtshälfte, während sie auf der anderen Seite fast kahl rasiert war. So wie es aussah, hatte sie das selbst gemacht. Mit eigenem Stil hatte das nicht viel zu tun. Bei näherer Betrachtung entpuppten sich die groben Treter als gewöhnliche Winterstiefel, aus denen sie die Schuhriemen herausgezogen und die Lasche heruntergeklappt hatte. Rebellion mit schmalem Geldbeutel. Im Grunde genommen war sie also doch so etwas wie ein Punk.



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