Der Zorn Gottes by Paul Harding

Der Zorn Gottes by Paul Harding

Autor:Paul Harding [Paul Harding]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi-Thriller, Historisch, England
Herausgeber: eBookCreatorNet
veröffentlicht: 2010-01-02T03:00:01+00:00


Acht

Cranston und Athelstan hatten St. Erconwald bald erreicht. Während der Coroner es sich im Hause des Priesters gemütlich machte, schloß Athelstan die Kirche auf und kniete am Lettner nieder, um sein Stundengebet zu sprechen. Er hatte Mühe, sich auf die Worte des Psalmendichters zu konzentrieren, und die Worte »Ein Meer von Plagen« ließen ihn nicht los. Er hielt inne und dachte an die Probleme, die ihn und Cranston erwarteten, und an die Möglichkeit, daß der Regent sogar in dieser kleinen Pfarrgemeinde von St. Erconwald seine Spitzel hatte. Der Bruder hockte sich auf die Fersen und schaute zum Kruzifix hinauf. Er hoffte, die Prüfung heute abend würde die erste und die letzte sein; im stillen gelobte Athelstan, dann alle seine Kräfte diesem Ira Dei und den schrecklichen Mordtaten zu widmen, die im Rathaus und anderswo begangen worden waren.

Er spähte zu der neuen, wunderschön gemeißelten Statue des Hl. Erconwald hinüber, des Schutzheiligen seiner Pfarrei, und er lächelte. Erconwald war ein großer Bischof in London gewesen, ein Mann, der in dieser betriebsamen Stadt mit vielen Problemen zu kämpfen hatte, bevor er sich in die Einsamkeit eines Klosters in Barking zurückzog. Voller Mitgefühl betrachtete der Bruder das starre, fromme Gesicht und war so in Gedanken versunken, daß ihn eine sanfte Berührung an der Schulter zusammenfahren ließ.

»Pater, es tut mir leid.«

Athelstan drehte sich um und sah Benedicta, die besorgt auf ihn herabblickte.

»Pater, Ihr habt doch gesagt, ich soll zur Vesper wieder herkommen?«

Athelstan rieb sich die Augen und lächelte. »Benedicta, schön, daß du gekommen bist. Warte hier.«

Er stieg die Altarstufen hinauf, öffnete das Tabernakel und nahm die Heiligen Öle heraus und aus der Sakristei eine Flasche mit Weihwasser und ein Aspergillum. Er tat alles in eine kleine Ledertasche und kam wieder in die Kirche.

»Ich nehme an«, sagte er mit gespielter Strenge, »daß in der Pfarrei alles in Ordnung ist?«

»Still wie das Meer vor dem Sturm«, neckte sie.

Sie verließen die Kirche, schlössen ab und gingen hinüber zu Cranston, der mit weit offenem Mund und zurückgelegtem Kopf auf Athelstans einzigem Stuhl saß und schnarchte, was das Zeug hielt, während Bonaventura zusammengerollt auf seinem breiten Schoß ruhte.

»Oh, du dummer Kater«, flüsterte Athelstan und hob ihn behutsam herunter, ehe er Cranston wachrüttelte.

Der Coroner erwachte wie üblich mit einem Schmatzen, begrüßte Benedicta und ging dann auf Athelstans Drängen in die Speisekammer, um sich Hände und Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen. Erfrischt kehrte er zurück und dröhnte, nun sei er bereit, es mit dem Teufel und jedem anderen aufzunehmen.

Die drei verließen St. Erconwald, ein jeder versunken in seine Vorstellung von dem, was geschehen würde, und sie wanderten durch die engen Gassen und Sträßchen von Southwark. Es war kurz vor der Abenddämmerung. Geschäfte und Stände waren geschlossen, und die Menschen gingen nach Hause. Die Geschäfte des Tages waren getan, und die wilden Nachtfalken von Southwark, die wüsten Zecher und Bewohner der Unterwelt, würden erst aus ihren Rattenlöchern kommen, wenn es vollends dunkel wäre. Bevor sie die breite Hauptstraße überquerten, die zur London Bridge führte, blieben sie stehen und sahen zu, wie ein Trupp Ritter zu Pferde vorüberzog, strahlend bunt in ihren vielfarbigen Wappenmänteln.



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