Der Zauber der Casati by Peretti Camille de

Der Zauber der Casati by Peretti Camille de

Autor:Peretti, Camille de [Peretti, Camille de]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644026018
Herausgeber: Rowohlt (com)
veröffentlicht: 2013-01-18T00:00:00+00:00


Am allerliebsten frühstückte Luisa im Bett. Tief in die Kissen gekuschelt, rief sie «Herein!», als das Zimmermädchen dreimal zaghaft an die Tür ihrer Suite klopfte. Auf der Auslegeware lagen ihre jüngst erworbenen Schühchen mit den hohen, diamantenbesetzten Absätzen nachlässig hingeschleudert. Sie hatte am Vorabend getanzt. Das große Silbertablett: «Wohin wünschen Sie es, Madame?» Gebieterisch deutete sie auf das zerknitterte Laken am Fußende ihres Bettes. «Dahin! Danke.» Klirren des Porzellans und des Glases mit dem frischen Obstsaft. Kurz drohte alles überzuschwappen, dann nahm es wieder die perfekte Positur an, die Rose in der Miniaturvase, die brühheiße Teekanne, die in der steif gestärkten Serviette warm gehaltenen Röstbrotscheiben, der kleine Buttertopf und die Aprikosen- und Erdbeermarmelade, die Luisa als zu süß verschmähte, ohne sie je gekostet zu haben, die Zeitung, die ewig ungelesen unter dem Korb mit den Plunderteilchen gefaltet lag. An diesem Morgen verspürte Luisa einen Bärenhunger. Bestellte sie sich ein gekochtes Ei? Sie streckte den Arm nach dem Telefonhörer aus. Beim Room Service nahm niemand ab. Hatte sie sich verwählt? Luisa setzte sich zurecht, lehnte den Kopf bequem an und wählte noch einmal. Wieder keine Antwort. War etwa das Telefon defekt? Unmöglich. Luisa wählte erneut. Nach zehnmaligem Klingeln wurde abgehoben. Sie hörte nur ein Stimmengewirr. «Hallo! Hallo?» Gleich wurde sie aber böse. Das Personal des Ritz kannte und fürchtete ihre Zornausbrüche, gerade vorige Woche hatte sie ihren Schmuck aus dem Fenster geworfen. Die Angestellten waren auf die Place Vendôme hinausgestürzt, um die Ohrringe und Armreifen aufzusammeln und einen Aufruhr sowie, wichtiger noch, den Skandal zu vermeiden.

«Hallo!» Ein Klicken, dann nichts mehr. Vor der Nase aufgelegt. Die Marchesa schnaubte. Sie packte den Hörer und läutete bei der Rezeption an. Kein Freizeichen. Nackt sprang Luisa aus dem Bett. Dass man sie warten ließ, war sie nicht gewohnt. Sie schlüpfte in einen Morgenmantel aus schwarzem Samt, dachte immerhin daran, den Gürtel zu verknoten, dann in ihre Schwanenfederpantoffeln, und stürmte aus ihrem Zimmer. Spät am Morgen des 3. August 1914 lag der Flur verlassen da. Kein Mädchen, einen Stapel Handtücher im Arm, kein Pakete tragender Bote. Dabei waren doch fern Stimmen zu hören. Sie eilte die Treppen hinunter, die langen Schöße des Morgenmantels wehten, ihre alabasterweißen Beine entblößend. Der Lärm wurde immer stärker und unentwirrbarer. In der Eingangshalle traf sie zu ihrer Überraschung auf ein fieberhaftes Durcheinander. Die Damen hatten ihre Taschentücher gezückt, Koffer stapelten sich zu chaotischen Haufen. Eine Rezeptionistin mühte sich, einem dicken Asiaten gut zuzureden, der offensichtlich keine der Sprachen sprach, die sie verstand, der Portier wedelte mit den Armen. Luisa fing im Vorübereilen einen kleinen Liftboy ein, einen rothaarigen Jungen von vielleicht vierzehn Jahren. «Heh! Was ist denn los? Ich will den Direktor sprechen! Mein Telefon geht nicht, ich will sofort mein Frühstück!» Beim Anblick der Marchesa verblassten seine Sommersprossen, er zog verzweifelt die Augenbrauen hoch und stotterte: «Sofort? Aber Madame, der Direktor ist sehr beschäftigt …» Luisa war empört. «Holen Sie den Direktor, sagen Sie ihm, Marchesa Casati verlangt ihn auf der Stelle zu sehen!» Ein Koffer schepperte zu Boden, eine Frau stieß einen Schrei aus.



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