Der Wolkenkratzerthron (German Edition) by Pollock Tom

Der Wolkenkratzerthron (German Edition) by Pollock Tom

Autor:Pollock, Tom [Pollock, Tom]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Urban Fantasy
Herausgeber: Ueberreuter Verlag
veröffentlicht: 2013-07-18T22:00:00+00:00


Kapitel 26

»Gossenglas würde das nie zugeben, aber ich bin ziemlich sicher, dass meine Mutter sich für mich geschämt hat. Ach je, kein Grund, gleich so trüb aus der Wäsche zu gucken. Ich brauche kein Mitleid; ich will dir bloß was erklären, dir die Zusammenhänge begreiflich machen, damit du verstehst, warum sie getan hat, was sie getan hat.

Sie muss am Boden zerstört gewesen sein, als ich geboren wurde, mit diesen knöchrigen Fingern, die so leicht brechen, und diesen Augen, die nur sieben Farben sehen können. Ich war so klein im Vergleich zu ihr – sie war diese Göttin, diese Stadt, und ich? Ich war ein Tränen und Scheiße verspritzendes Bündel, das in einer Tour quengelte und gefüttert werden wollte.

Einmal habe ich Glas gefragt, ob mein Vater ein Mensch war, und auch wenn sie immer beteuert hat, sie wisse es nicht, glaube ich trotzdem, dass mein alter Herr oder wenigstens irgendwer aus seiner Ahnenreihe menschlich gewesen sein muss. Meine Schwächen waren jedenfalls angeboren.

Schon klar, das treibt dir ’ne Träne ins Auge. Aber so war’s eben. Natürlich war ich dennoch der Sohn einer Göttin, und das brachte gewisse Privilegien mit sich. Wenn sie mich einfach ganz normal hätte aufwachsen lassen, wären meine Arme so dick wie Stahlträger geworden, und ich wäre schneller gerannt als der schnellste Zug. Bloß für das, was sie für mich im Sinn hatte, wäre das nicht genug gewesen.

Mater Viae wollte mehr: Sie wollte, dass ich so hell erstrahle wie das Wasser der Themse an einem Sommertag. Sie wollte, dass meine Knochen die Fundamente der Stadt überdauern, und mehr noch: Sie wollte, dass ich mich ihrer würdig erwies, dass ich ihren Namen trug.

Sie nahm mich mit in den Osten der Stadt, zu den Docks, obwohl Londons alter Hafen damals Reach gehörte. Sie ging in Lumpen gehüllt, und nur Flink, die Tapferste aus ihrem Gefolge von Katzen, war an ihrer Seite. Wenn sie vorüberkam, sehnten die Straßenschilder sich danach, sich neu anzuordnen, doch sie gebot ihnen Einhalt.

Sie hütete die gepflasterten Wege, die von Fisch und Abwasser, Opium und knotigen Tauen übersäten Straßen, die alten Pfade – und sosehr Reach sich auch mühte, es gelang ihm nie, die Docks in ein Luxusviertel zu verwandeln. Sie blieben ihrem Geist treu, selbst als Reach sie mit seinen Hochhäusern umzingelte.

Sie streifte an den Kanälen entlang, und die Wracks der uralten Teeklipper hoben sich aus den Tiefen, begierig darauf, noch einmal ihre Erinnerungen daran zu durchleben, wie sie ihr einst Tribut gezollt hatten. Mit einem Wink schickte sie sie zurück in die Tiefe, huldvoll, aber bestimmt: Sie war nicht dort, um bemerkt zu werden. Miauend strich Flink um die Knöchel ihrer Gebieterin, und meine Mutter kraulte sie mit schieferhäutigen Fingern. Dann schlich sie weiter, mit mir im Arm, Seemannslieder gurrend, damit ihr kleiner Fratz still blieb, die Stimme leise genug, dass die Schwingungen in der Luft nicht die Streben der Kräne aufstörten.

– was? Was? Ich schaff hier bloß etwas Atmosphäre, okay? Sorge fürs ›richtige Flair‹. Willst du, dass ich damit weitermache? Schön. Es ist Nacht. Es ist stockdunkel.



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