Der Weg aus dem Nichts (German Edition) by Mario Wagner

Der Weg aus dem Nichts (German Edition) by Mario Wagner

Autor:Mario Wagner [Wagner, Mario]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783961151530
Herausgeber: A.P.P. Verlag
veröffentlicht: 2017-07-11T22:00:00+00:00


11.

Nach ein paar Wochen fing ich an, mich mit ein paar Mitgefangenen auf dem Hof beim Spaziergang zu unterhalten. Ich kannte schon ein paar Gefangene und freundete mich mit ihnen an. Es waren nicht viele; vom Hören und Sagen war es sehr gefährlich, hier überhaupt mit jemandem zu reden, denn es waren richtige Verbrecher, und wenn ich mich recht erinnere, waren von achthundert Insassen mindestens zweihundert ›Lebenslängliche‹. Also, das bedeutete, dass die zweihundert Mörder waren, denn umsonst bekommt man nicht lebenslange Haftstrafen.

Ich erinnere mich an einen Vorfall, bei dem ich heute noch Gänsehaut kriege. Wir kamen vom Hofrundgang zurück, und einer der Häftlinge rannte das breite große Treppenhaus runter, Richtung uns und den Beamten. Ich konnte oben an der Treppe einen Mann im Schatten sehen, der sich wieder nach oben bewegte. Der Häftling rannte um sein Leben zu dem Beamten, der ihn ja schützen musste. Der Gefangene war so weiß im Gesicht, dass er fast durchsichtig schien, und sein Atem ging so schnell, dass man glaubte, sein Herz schlagen zu hören. Ich werde das niemals vergessen.

Das zweite Erlebnis dieser Art gab es im Fernsehraum, den wir ein paar Mal besuchen durften und wo hin und wieder Filme gespielt wurden. Ein Häftling mobbte schon lange Zeit einen anderen, und als der Beamte den Raum abschloss, um den Film zu beginnen, schnitt der Mobber dem Gemobbten mit einem Teppichmesser den Bauch auf. Sein Opfer musste sich die Gedärme reindrücken, sodass sie nicht rauskamen.

Das sind Vorfälle, die man nicht mehr vergisst und die einem wieder bewusst machen, wozu der Mensch fähig ist. Da ist mein Erlebnis, das ich am Anfang mit einem Insassen hatte, noch harmlos, das Zweite schon nicht mehr, aber dazu später.

Also, ich hatte in der Schlosserei schon etwas Geld verdient, in der ich arbeitete, und einer der Zellengenossen wusste davon. Er bat mich, für ihn ein Pulver zu kaufen, um sein Training zu fördern. Ihr müsst Euch vorstellen, ich war der jüngste Häftling im ganzen Knast, und das mit mittlerweile zwanzig Jahren. Also sagte ich ja, er müsste mir dann einfach die Ware in Zigaretten zurückzahlen.

»Na klar, mach ich doch«, versprach er und betonte, ich müsste mich nicht ärgern. Ich kaufte alles, gab es ihm und er war eigentlich immer freundlich zu mir auf unserer Zelle. Dann fing er an, mich zu ignorieren und mich zu bemängeln, einfach komplett gegen mich zu trachten. Eines Tages kam er zu mir, ich war gerade am Waschbecken, hatte meinen einzigen Jogginganzug an und wusch mir das Gesicht. Er packte mich am Kragen und schrie mich mit drohender Stimme an: »Passt dir was nicht, willst du Ärger mit mir?«, dann riss er mir meinen Jogginganzug vom Kragen abwärts bis zum Bund auf und grinste.

So, was mach ich jetzt?, dachte ich mir. Wenn ich mich wehre, bringt der mich um. Und wenn ich mich nicht wehre, bin ich allen ausgeliefert und hab nur noch Probleme.



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