Der Untergang by Hohlbein Wolfgang

Der Untergang by Hohlbein Wolfgang

Autor:Hohlbein, Wolfgang [Hohlbein, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783785712436
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2009-11-13T23:00:00+00:00


SIEBTES KAPITEL

Mehr verwirrt denn enttäuscht oder zornig war Andrej in seinen Wagen zurückgekehrt, und zu seiner eigenen Überraschung war er nach einer Weile in einen unruhigen Schlaf gesunken. Ein Schlaf, aus dem er erst lange nach Sonnenaufgang wieder erwachte; so wie am Vortag mit einem schlechten Geschmack im Mund, mit Kopfschmerzen, schweißgebadet und mit der Erinnerung an sinnlose Bilder und Albträume, die ihn gequält hatten. Obwohl er nicht unter einer dünnen Zeltbahn sondern unter dem hölzernen Dach eines Wagens erwacht war, erschien ihm die Luft noch stickiger und heißer als gestern, und es fiel ihm deutlich schwerer, die Nachwirkungen des Schlafs abzuschütteln und aufzustehen.

Als er den Wagen verließ, war das Sinti-Lager schon seit mehr als einer Stunde zum Leben erwacht, und er war so betäubt, dass er fast wie ein Betrunkener taumelte, während er sich auf den Weg zum Bach machte, um sich zu waschen.

Das eiskalte Wasser half, die Benommenheit und auch die Kopfschmerzen zu vertreiben, aber der üble Geschmack in seinem Mund blieb, und auch die Erinnerung an die Albträume, die ihn geplagt hatten, verschwand nicht völlig. Irgendetwas stimmte tatsächlich nicht mit ihm.

Er ließ sich deutlich mehr Zeit als nötig, ehe er die Richtung zu Laurus’ Wagen einschlug. Er wollte nach Abu Dun sehen.

Vielleicht war es besser, dass er zugegen war, wenn der Nubier aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte. Die Tür des Wagens stand offen. Andrej klopfte an den Rahmen, wartete einen Moment vergeblich auf eine Antwort und trat schließlich ein. Nach der schon jetzt fast unerträglichen Hitze, die draußen herrschte, und hinter den vorgelegten Läden, war es hier drinnen angenehm kühl und schattig, aber nicht so dunkel, dass er nicht sah, dass das Bett, auf dem er Abu Dun am vergangenen Abend zurückgelassen hatte, jetzt leer war. Im ersten Moment erschrak Andrej bis ins Mark, aber dann rief er sich in Gedanken selbst zur Ordnung. Für ein Gefährt seiner Art war dieser Wagen recht groß, aber auch ein großer Wagen war letztendlich klein, und immerhin diente er schon als Unterkunft für zwei Menschen. Wahrscheinlich hatte Laurus dem Nubier einfach ein anderes Krankenlager zugewiesen.

»Was tust du hier?«

Andrej fuhr erschrocken herum und sah in Laurus’ Gesicht.

Der grauhaarige Sinti stand draußen vor dem Wagen, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen zu ihm hoch, und für den Bruchteil einer Sekunde erinnerte der Anblick Andrej an ein anderes Bild, das er gestern gesehen hatte, andere, kleinere Gestalten, die fast in der gleichen Haltung dagestanden und Abu Dun und ihn angestarrt hatten. Dann verging die absurde Furcht, und Andrej sagte sich selbst, wie lächerlich dieser Vergleich war. »Ich wollte nach Abu Dun sehen«, sagte er. »Entschuldige. Aber die Tür stand offen.«

Er sprang mit einem einzigen Satz zu Laurus hinunter und machte eine entschuldigende Handbewegung. »Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Wo ist Abu Dun?«

»Ich habe ihn in einen anderen Wagen bringen lassen«, antwortete Laurus unfreundlich. »Schließlich ist das kein Krankenlager.«

»Dann werde ich nach ihm sehen«, sagte Andrej. Er wollte sich umdrehen, aber Laurus hielt ihn mit einer entsprechenden Geste zurück.



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