Der Untergang Barcelonas. Roman by Albert Sánchez Piñol

Der Untergang Barcelonas. Roman by Albert Sánchez Piñol

Autor:Albert Sánchez Piñol [Sánchez Piñol, Albert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104027838
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-01-05T05:00:00+00:00


* * *

Während unsere Verbündeten abzogen, uns im Stich ließen und die bourbonischen Kolonnen zusammenströmten und gen Barcelona zogen, welche Entscheidungen trafen da die roten Plüschlinge? Gar keine. Starhemberg packte bereits die Koffer, und sie schickten ihm bis zum letzten Augenblick Depeschen, die er unterschreiben sollte. Der Apparat musste die Form wahren. Dass Starhemberg mit dem Feind unter einer Decke steckte, ach das, das schien nicht die geringste Bedeutung zu haben.

In den alliierten Regimentern, die sich einschifften, gab es ein paar wenige Katalanen, die sich zuvor vom kaiserlichen Heer des Erzkarls hatten anwerben lassen. Sie begriffen, was auf dem Spiel stand und wem sie Treue schuldeten. Bis zum letzten Tag verließ manch einer von ihnen die Reihen der verbündeten Streitkräfte, sprang sogar über Bord, um nach Barcelona zurückzukehren. Starhemberg übertrieb die Strenge bis zur puren Grausamkeit: Er gab Befehl, die Deserteure hinzurichten, obwohl er den ganzen Krieg über die Fahnenflucht mit wenig Eifer verfolgt hatte.

Endlich beschlossen die Plüschlinge 1713, das katalanische Parlament einzuberufen. Sie waren so verstört, dass die Sitzung nur einen Punkt behandelte: Was tun angesichts des bourbonischen Vormarschs, sich unterwerfen oder kämpfen?

Hier muss ich erklären, dass sich unser Parlament in drei Gruppen oder Stände teilte. Einen bildete der Adel, den zweiten das niedere Volk und den dritten, wie hätte es anders sein können, die Kakerlaken des Vatikans.

Ihre Bischöfe waren wie die roten Plüschlinge, bloß schwarz. Nehmen Sie nur den Kardinal und Bischof von Barcelona, den erbärmlichen Benet Sala.

Am ersten Tag der Debatte fragte der Parlamentssekretär den geistlichen Stand nach seiner Meinung. Sie antworteten ausweichend. Weder ja noch nein. Sie begnügten sich mit theologischen Wirrheiten, wonach der Krieg an sich ein Übel sei, und wenn sich Christen stritten, weine der Herrgott Blut.

Ein hübscher Haufen von Philistern! In den dreizehn langen Jahren dieses weltumspannenden Krieges war es ihnen nicht einen Moment lang in den Sinn gekommen, dass der Krieg eine hässliche Angelegenheit sein könnte. Dann kam der Dolchstoß in den Rücken.

Benet Sala hatte eine gute Ausrede, Barcelona zu verlassen. Man rief ihn damals nach Rom.

Mit einem Mal sahen sich die Barcelonesen vom Heer verlassen, das ihren Leib hätte schützen, und zugleich vom Hirten, der ihre Seele hätte hüten sollen.

Währenddessen wurde die Stimmung in der Stadt immer gereizter.

Und der gute Zuvi? Was tat er inmitten dieser Unruhen?

Mich interessierte damals vor allem, den Prozess um meine Erbschaft voranzutreiben. Ich hatte viel freie Zeit und ließ mich häufig im Anwaltsbüro blicken. Um den Fall zu beschleunigen, fiel mir nichts weiter ein, als mit Casanova selbst zu sprechen, dem Inhaber und Leiter der Kanzlei. Nichts. Casanova ließ sich niemals blicken, und seine Angestellten raubten mir mit ihrem ewigen Herumgerede den letzten Nerv. Der Herr Casanova habe nun ein hohes politisches Amt inne und könne sich mir nicht widmen, die Gerichte stünden Kopf bei all der Aufregung, trallali trallala. Manchmal öffnete sich die Tür den ganzen Tag über nicht, so ein Durcheinander herrschte. Das verdarb mir die Laune vollends. Wenn ich mit einem kleinen Winkeladvokaten stritt, konnte ich ihn wenigstens herunterputzen und Dampf ablassen, auch wenn es rein gar nichts brachte.



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