Der Tod zahlt alte Schulden by Ralph Neubauer

Der Tod zahlt alte Schulden by Ralph Neubauer

Autor:Ralph Neubauer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand GmbH
veröffentlicht: 2014-12-31T16:00:00+00:00


Zehn

18.–24. Mai

Fabio blätterte in einer der Akten, deren Brüder und Schwestern sich links und rechts auf seinem Schreibtisch stapelten. Er dachte nach. Der beschlagnahmte Lkw mit den illegalen Kulturgütern war mit einem verdeckten Ermittler als Fahrer an seinen Bestimmungsort in München gebracht worden. Es handelte sich um eine Lagerhalle einer kleinen Spedition. Aber dort tat sich nichts. Niemand kam, um die Ware abzuholen. Es ging kein Anruf auf dem Handy des Lkw-Fahrers ein. Nichts. Die Halle war verschlossen. Der in Bozen vorläufig festgenommene Fahrer hatte nichts zu den Übergabemodalitäten preisgegeben. Entweder wusste er nichts oder wahrscheinlicher, er hatte Angst, dass er als Verräter weitaus Schlimmeres zu erwarten hätte, wie als Kleinkrimineller. Dass er Angst vor seinen Auftraggebern hatte, war den Kriminalbeamten schnell klar geworden.

»Interessant ist, dass diese brutalen Menschenhändler jetzt auch andere Geschäftszweige bedienen. Denen ist die Art der Ware völlig egal.« Fabio studierte einen Bericht von Europol, in dem es um genau diese neuen Geschäftszweige ging. Er las davon, dass die Terroristen der »IS« ihre Armee auch über den Handel mit Kulturgütern aus Raubgrabungen finanzierten. Dabei löschten sie wertvolle Relikte der mesopotamischen und assyrischen Hochkultur aus. Der Weg dieser geraubten Antiken lief über die Türkei. Es gab viele Zwischenhändler. Jeder wusste nur wenig über den jeweiligen Verkäufer und den jeweiligen Käufer. »Wenn ich mir einen greife, komme ich also nicht an den Haupttäter, den Raubgräber«, dachte Fabio. Absatzmärkte seien Auktionshäuser, Kunsthandlungen und -börsen. Da in Deutschland seit Dezember 2013 ein Verbot für den Handel mit syrischen und irakischen Kulturgütern galt, ging der Handel mit diesen Antiken neue Wege, so der Bericht. Es gab überall in der Welt zahlungskräftige Sammler, die es nicht interessierte, auf welchem Weg sie an die Kunstschätze gelangten.

»Und wir sitzen hier im kleinen Bozen und erleben die Beben im Fernen Osten und in Afrika, indem wir über die Lkw-Kontrollen einen winzig kleinen Einblick in das bekommen, was in der Welt aktuell in Trümmer gehauen wird. Ach, wie wichtig ist doch unser Nadelöhr«, dachte Fabio und meinte den Brenner.

In seinen Gedanken vertieft merkte er zwar, dass Francesca das Büro betreten hatte, reagierte aber nicht, wie sie es von ihm gewohnt war. Sie legte ihren Kopf leicht schief, »Alles klar, Fabio?«

Fabio nickte ihr zu. »Ja, alles klar. Oder auch nicht, wenn man die Weltlage nimmt.«

»Heute tiefsinnig?«

»Wir sind Nadelöhr-Fischer«, begann er. »Wir nutzen das Nadelöhr ›Brenner‹, um den Hauch des schrecklichen Weltgeschehens, tausend Kilometer von hier, einzuatmen. Das zeigt mir einmal mehr, dass wir auf einem Planeten leben, der zwar groß ist, aber umso kleiner wird, wenn Gier und Not größer werden.«

»Du bist heute auch philosophisch? Die Sache mit den geraubten Antiken?«, sagte sie mit einem Blick auf die Akte, die er vor sich aufgeblättert hatte.

Fabio nickte. »Klar bekommen wir hier einiges mit, was sich in Syrien, im Irak und im übrigen Fernen Osten ereignet. Die Geschäfte unserer Kundschaft gehen mit dem Weltgeschehen. Da, wo die Kanonen donnern, wird immer verdient. Jedenfalls solange die Kanonen donnern. Denk mal an die Raubkunst des Dritten Reiches! Göring und so. Die haben geraubt, was sie kriegen konnten.



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