Der Teufel in Frankreich by Feuchtwanger Lion

Der Teufel in Frankreich by Feuchtwanger Lion

Autor:Feuchtwanger, Lion [Feuchtwanger, Lion]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-28T05:00:00+00:00


Die Zelte von Nîmes

Wie schön sind deine Zelte, Jakob, Und deine Wohnungen, Israel.

Am nächsten Morgen mußten wir früh aufstehen und in der alten Einteilung, Deutsche, Österreicher, Fremdenlegionäre, antreten.

Dann warteten wir wieder einmal. Es war das übliche, endlose Gewarte, und wir fragten uns, warum man das Wecksignal so früh geblasen hatte. Im übrigen war diesmal das Warten nicht einmal so schlimm. Man hatte viel Schlaf nachzuholen, viele streckten sich denn auch aus und schliefen in der guten, höher steigenden Sonne, die andern hockten und dösten. Der Himmel war hell, die Luft rein, sehr würzig. Sanfte blaue Berge hoben sich im Umkreis. Der Zug freilich, jener gespenstige Zug, der uns diese schlimme Ewigkeit hindurch beherbergt hatte, stand noch immer da. Aber siehe, jetzt ratterte auch er fort. Mit einem tiefen Aufatmen sahen wir, wie er um die Kurve bog, entschwand. Mit ihm glitt von uns fort die Bitterkeit der scheußlichsten Fahrt unseres Lebens.

Wohin wir gebracht werden würden, wußten wir nicht. In der Umgebung der Stadt Nimes kamen für Lagerzwecke zwei oder drei Örtlichkeiten in Frage. Alles deutete darauf hin, daß ein längerer Fußmarsch vor uns lag. Der Marsch als solcher schreckte uns nicht; was aber sollte mit dem Gepäck werden? Es wird mühsam sein, es hinauf in die Berge zu schleppen.

Einige ältere Herren machten sich an den Kapitän heran. Der war ein Neuer; unsere alten Wachmannschaften, Offiziere und Soldaten, waren mit dem Zug davongefahren. Der neue Kapitän erklärte barsch, Wagen stünden nur für das Gepäck der Kranken zur Verfügung, die Gesunden sollten ihre Bagage gefälligst selber schleppen. Die älteren Herren murrten. Sie hatten den Rest ihrer Habe durch all die Schrecken dieser Fahrt gerettet, sie wollten ihn nicht verlieren. Die Strapazen des Zuges hatten sie tapfer ertragen, jetzt, bei diesem geringfügigen Anlaß, begehrten sie auf. Erregt und finster eröffneten sie dem Offizier, sie seien alte Männer und einfach nicht mehr imstande, ihr Zeug die Berge hinaufzuschleppen. Der Offizier antwortete grob, dann müßten sie eben darauf verzichten. Vor sich hin murrte er, die Militärbehörde habe zur Zeit andere Sorgen als die Unterwäsche einiger Boches.

Dann marschierten die ersten Gruppen ab. Das heißt, sie marschierten nicht, sondern noch auf der Wiese lösten sie sich auf, und ein jeder ging, wie er konnte und wollte. Durcheinandergemischt, Wachsoldaten, Sergeanten, Internierte, zogen wir dahin durch die schöne Landschaft, auf steinigem Weg. Blaue Berge, viel Gehölz, viele Steineichen. Täler, Bäche, Heideland, alles unfruchtbar, Schluchten und ein Fluß und darüber ein sehr heller Himmel. Es ging immer bergauf, in großen, langsamen Kehren. Ich schaute zurück auf unsere Wiese. Die war übersät mit Gepäckstücken jeder Art. Die meisten hatten einfach ihre Sachen zurückgelassen. So hatte auch ich es getan.

Niemand beeilte sich. Ein Sergeant, ein paar Wachsoldaten drängten, ohne Ernst. Das Ganze war eher ein Spaziergang, wir hatten ihn verdient nach der bösen Fahrt. Vielleicht kamen wir wiederum in ein Gebäude wie die Ziegelei von Les Milles. So kosteten wir diesen Spaziergang unter freiem Himmel noch nach Kräften aus und blieben oft stehen, um zu verschnaufen und den schönen Ausblick zu genießen.

Der Weg dehnte sich.



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