Der Staubozean by Bruce Sterling

Der Staubozean by Bruce Sterling

Autor:Bruce Sterling
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-10-28T20:08:25.406000+00:00


11

Die Klippen

DESPERANDUMS WUNDEN VERHEILTEN SCHNELL, abgesehen von jener am Arm. Er pinselte den Schnitt mit Jod ein, lehnte es aber ab, die häßlichen schwarzen Stiche und Nähte, die unser erster Maat gesetzt hatte, zu bedecken.

Wir segelten weiter nach Norden und passierten bald die Bruchfuß-Inseln, die auf halbem Wege unserer Strecke lagen. Die Siedlungen hier besaßen die besten hydroponischen Anlagen Nullaquas. Sie produzierten neunzig Prozent des nullaquanischen Tabaks und über die Hälfte des Getreides, das zum Bierbrauen verwendet wird. Wir landeten nicht, tauschten aber Grüße mit einigen Handelsschiffen und einem Krabbenfänger. Von einem alten Mann in einem Handelsschiff kaufte ich mir ein neues Messer.

Mein erstes Messer hatte ich in dem Leimfaß in jenem versteckten Raum auf der Lunglance verloren. Ich hatte oft erwogen, Desperandum direkt mit meinem Wissen über das geheime Lager zu konfrontieren. Es war sogar möglich, daß er nichts von dem Motor, dem Propeller und den Sauerstofftanks wußte. Aber ich entschloß mich zu schweigen.

Wir töteten noch vier Wale und schlachteten sie aus. Hier gab es ebenfalls Haie. Sie gehörten zu einer abweichenden Sub-Spezies jener Haie bei der Seemöwen-Halbinsel, hatten jedoch die gleichen tückischen Zähne, die gleichen Lotsenfische und zeigten die gleichen beunruhigenden Anzeichen von Intelligenz. Ohne auf seine Verletzungen zu achten, griff Desperandum die Raubtiere mit der übrigen Besatzung zusammen an, schwang einen langen Walspaten mit äußerster Wildheit und jedem Pfund seiner unglaublichen Kraft. Die Haie versuchten, Desperandum möglichst weit auszuweichen, und einmal entkam ein fliegender Fisch aus Dalusas Netz und biß ein kleines Stück aus Desperandums rechtem Ohr. Desperandum packte den Fisch in der Luft und zertrampelte ihn unter seinem Stiefel zu Brei. Danach sah er es auf die Augen der Haie ab. Geblendet reagierten sie mit selbstmörderischer Wildheit, rammten die Rümpfe der Lunglance mit ihren Schnauzen und sprangen aus dem Staub, um sich blind in der Reling zu verbeißen. Als die Reling zerstört war, bissen sie in alles, was sie erreichen konnten.

Bis dahin war dies keiner der Seeleute gewesen. Beim Anblick der ausufernden Freude, die Desperandum bei dem Gemetzel an den Tag legte, steigerte sich der Eifer der Crew. Und die geblendeten Haie hatten wenig Zeit anzugreifen. Desperandum brauchte nie mehr als zwei Sekunden, um seinen schleimverschmierten Spaten in die lebenswichtigen Organe zu rammen.

Inzwischen näherten wir uns dem nächsten Seezeichen.

Schon seit längerer Zeit hatten wir Klippen am Horizont gesehen, schroffe Zinnen, deren rosiges Gestein im Zwielicht ein sichelförmiges Mondleuchten ausstrahlte. Aber jetzt näherten wir uns dem steilsten Abschnitt des nullaquanischen Kraters, jenem fünfzig Meilen weiten geologischen Phänomen, das einfach Die Klippen heißt.

Die Klippen sind siebzig Meilen hoch. Sie erweisen sich jeglicher Beschreibung unzulänglich. Ich glaube, ich könnte stundenlang schreiben, ohne den wirklichen überwältigenden Eindruck zu vermitteln, der einem bis ins Mark fährt, wenn man etwas sieht, das siebzig Meilen hoch ist. Aber ich werde es versuchen.

Wie schnell kann ein Mensch klettern? Vielleicht zwei Meilen pro Tag? Also gut, zwei Meilen. Verehrter Leser, Sie wären zwei Meilen über dem Meeresspiegel, ehe Sie auch nur die erratischen Felsblöcke hinter sich gelassen hätten, die sich am Fuß der Klippen angesammelt haben.



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