Der Sommer der Toten by Hinkemeyer Michael T

Der Sommer der Toten by Hinkemeyer Michael T

Autor:Hinkemeyer, Michael T. [Hinkemeyer, Michael T.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-02-21T17:56:02+00:00


II

Das stimmte. Die Gefängniszelle des Dorfes, seit Menschengedenken unbenutzt, lag im Keller des Wagonwheel-Ladens. Es war das massivste Gebäude des Ortes, mit Ausnahme der Kirche oder des Bestattungsinstitutes, die aus naheliegenden Gründen natürlich für solche Zwecke nicht in Frage kamen. Hercules lagerte im Keller seine Vorräte: Kartons mit Fett, Konserven, Mehlsäcke, Sodawasserkisten und vieles mehr, gestapelt auf Gestellen und in Regalen. Die »Zelle« war nichts weiter als ein schweres Holzgestell, das man mit Drahtgeflecht überzogen und so in einen Käfig verwandelt hatte.

Barney hatte nicht glauben wollen, daß Otto David tatsächlich erlaubt hatte, mit dem armen Schwachsinnigen zu sprechen. Er war eigens hinaus zur Ronsky-Farm gefahren – Hin- und Rückfahrt hatten nur eine Viertelstunde gedauert –, um sich zu vergewissern. Leute, die sich für gebildet und intelligent hielten, glaubten immer, sie könnten das Gesetz an der Nase herumführen. Er kam wieder und schüttelte verwundert den Kopf. »Mir soll es recht sein«, sagte er und wies Hercules an, die Kellertür aufzuschließen.

Butch Ronsky lehnte lallend und mit tränenverschmiertem Gesicht am Maschendraht. Er steckte die Riesenfinger durch die Netzlöcher und zerrte an den Drähten. Der ganze Käfig erzitterte.

»Weeeeeh«, ächzte er unter Schluchzen. Über Schläfe und Stirn zog sich eine häßliche längliche Wunde.

»Schrecklich«, rief Katie aus. »Wie konntest du das nur tun?«

»Er soll wohl noch jemand umbringen, wie?« höhnte der einarmige Polizist. »Er weiß nicht mal, was passiert ist. Wir geben ihm zu essen und zu trinken. Wir lassen ihn seine Notdurft verrichten. Stimmt’s, Herc?«

Hercules stotterte herum und brachte schließlich heraus: »Ja ja, wir gaben ihm zu essen, ganz normal, sechs Würstchen und …«

»Nicht mal ein Affe im Zoo kriegt so gute Sachen«, sagte Barney. »Stimmt’s, Butch? Möchtest du eine Banane?«

»Weeeeh!« brüllte der Riese auf und ließ den Käfig erzittern.

»Guter Gott! Der geht jetzt erst richtig los«, rief Barney aus und schlug auf sein Pistolenhalfter. »Wie ein gefangener Bär.«

»Woher hat er die Verletzung?« fragte David.

»Verletzung? Welche? Ach, das!. Hm, ach ja, jetzt erinnere ich mich. Als wir ihn gestern in den Einsatzwagen verfrachteten. Ich und dein Pa, Katie. Er schlug mit dem Kopf gegen den Wagen, als wir ihn hineinschubsten. Ja, das war’s wohl.«

»Verstehe«, sagte David.

»Sieht aus, als hätte er den Rausch ausgeschlafen«, bemerkte der Gesetzeshüter.

»Schrecklich«, wiederholte Katie. Sie ging näher und streckte die Hand nach Butch aus.

Er schien sie zu erkennen.

»FLLLLL?« stöhnte er zweifelnd und rieb sich die Augen.

»Geh nicht näher ran.«

Barney wollte nach der Waffe greifen. Hercules tat einen Rückwärtssprung und krachte gegen ein paar große Kartons. Sein blaues Auge hatte sich leuchtend verfärbt.

»Um Himmels willen, Butch ist doch ganz harmlos«, rief David. »Warum haben Sie ihn nicht ordnungsgemäß ins Gefängnis von St. Cloud eingeliefert? Warum wurde er nicht ordnungsgemäß festgenommen? Auch wenn die Anklage Humbug ist.«

»Festgenommen?« fragte Barney verwundert. »Ach ja, den Dokumentenkram erledige ich, wenn ich mit der Voruntersuchung zu Ende bin.«

»Mit was?«

»Das fällt unter meine Kompe-te-tenz«, behauptete Barney und vollführte eine Geste mit seinem Armstumpf.

»Guter Gott«, stieß David hervor. »Butch ist doch ein menschliches Wesen, und Sie sperren ihn in diesem Loch ein.«

Hercules verzog beleidigt das Gesicht, er wußte nicht, wie die Bemerkung aufzufassen war.



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