Der Sommer der Freiheit by Rehn Heidi

Der Sommer der Freiheit by Rehn Heidi

Autor:Rehn, Heidi [Rehn, Heidi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-42281-6
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2014-04-30T04:00:00+00:00


5

Als Constanze neben Grischa in dem viersitzigen Automobil saß, überkam sie Reue, so rasch eingewilligt zu haben. Zum einen hasste sie unvorhersehbare Überraschungen. So gern, wie sie sich mit der Entwicklung von Maschinen beschäftigte, die das taten, was sie wollte, so gern entwickelte sie jeden Tag aufs Neue für sich einen Plan, was zu erwarten war. Grischas unverhoffter Besuch wie auch die Einladung zum Flug mit der Albatros gehörten nicht zu dem, womit sie an diesem Tag gerechnet hatte. Wenigstens eignete sich ihre leicht abgewetzte, dafür aber praktische Kleidung für das Abenteuer, wie er ihr mehrfach versichert hatte. Dafür waren zu ihrem Leidwesen an dem Adler, mit dem er sie zum Flugplatz chauffierte, die kriegsbedingten Eisenräder mit Stahlfedereinlage aufgezogen. Da auch die Polster der Sitzbank schon reichlich von kräftigeren Personen in Anspruch genommen worden waren, hatte sie bald das Gefühl, mit dem Hintern direkt auf dem Karosserieboden zu sitzen. Zudem entpuppte sich Grischa als lausiger Fahrer. Die vielen Schlaglöcher in der Straße taten ein Übriges, ihr die Freude an der Tour schnell zu verleiden.

»Du könntest einige Nachhilfestunden gebrauchen«, rief sie ihm zu, als er viel zu rasant in eine scharfe Rechtskurve einbog. Fest umklammerte sie den Türgriff.

»Wenn du sie mir gibst, können wir gern darüber reden«, erwiderte er und schaltete so ungestüm, dass das Getriebe beleidigt knarrte. Sie runzelte die Stirn. Er würde sich natürlich als waghalsigen Chauffeur bezeichnen, dessen Fahrstil seinem Naturell entsprach. Daran würden auch ein Dutzend weiterer Fahrstunden nichts ändern. Sie versuchte, sich in ihr Schicksal zu fügen, auch wenn ihr jedes Schlagloch und jede noch so kleine Unebenheit des Straßenbelags in die Knochen fuhr. Grischa verzog keine Miene. Offenbar war er so lang schon an das Fahren mit dem eisenberäderten Wagen gewöhnt, dass es ihm gar nicht mehr auffiel, wie unbequem das für seine Mitfahrer bei seinem unglaublichen Fahrstil war. Zum Glück besaß der dunkelgrüne Wagen wenigstens ein offenes Verdeck. Die milde Frühlingsluft in der Nase zu spüren entschädigte etwas. Ebenso hellte die Aussicht, gleich auf dem Flugplatz den neuesten Maschinen und der besten Technik gegenüberzustehen, Constanzes Laune auf. Darüber vergaß sie sogar die Angst vor dem Fliegen.

Es dauerte, bis sie draußen waren. Die Maschinenfabrik Weißkirchner & Sohn befand sich zwar im Süden des großen Bahnhofs, so dass sie nicht erst durch die ganze Stadt fahren mussten, um zum Flugplatz zu gelangen. Da Metz ein strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkt war, herrschte allerdings rund um die Eisenbahnstrecke reger Verkehr. Es handelte sich hauptsächlich um Militärfahrzeuge, außer Kraftwagen nach wie vor auch Pferdefuhrwerke, dazwischen immer wieder Kavallerie. Menschen schienen in diesem Teil der Stadt nur noch im soldatischen Feldgrau zu existieren. Zivilisten gab es höchstens als Rotkreuzschwestern in der entsprechenden Uniform. Deren Anblick war Constanze inzwischen zwar gewohnt, nach wie vor aber stießen ihr die deutlich sichtbaren Spuren der französischen Fliegerangriffe an Gebäuden und Straßenzügen schwer auf. Grischa kümmerte sich wenig darum. Zu sehr beschäftigte ihn das Chauffieren. Eifrig hupte er, trat kräftig aufs Gas, dann energisch auf die Bremse, vergaß zu schalten und würgte an einer Kreuzung den Motor so abrupt ab, dass Constanze unsanft nach vorn geschleudert wurde.



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