Der Seelenbrecher by Sebastian Fitzek

Der Seelenbrecher by Sebastian Fitzek

Autor:Sebastian Fitzek
Format: mobi, epub
Tags: Blizzards, Psychiatric hospitals
ISBN: 9783426637920
Herausgeber: Droemer Knaur
veröffentlicht: 2007-12-31T23:00:00+00:00


02.20 Uhr

Er war, als würde er immer noch sterben. Als hätte er nur darauf gewartet, dass sie endlich kamen und das Kühlfach aufzogen, um Zeuge seiner letzten Sekunden zu werden. Sein Kopf war nach hinten überdehnt, wie bei einem Kind, das den Weg eines Flugzeugs am Himmel verfolgen will, ohne sich dabei umzudrehen.

Raßfeld schrie. Nicht mit seinem Mund, aus dem eine violett angelaufene Zungenspitze herauszufallen drohte. Er schrie mit den weit aufgerissenen, toten Augen, die noch nie zuvor so weit aus ihren Höhlen getreten waren. Er schrie stumm und dennoch so laut, dass Caspar die aufgeregten Stimmen um ihn herum nicht mehr hören konnte. Er hatte schon Mühe, seine eigenen Gedanken zu verstehen.

Aufgeschwemmte Wangenpartie, bläulich angelaufene Wachshaut, dunkle Abdrücke am Hals – der Seelenbrecher musste ihn sofort ermordet haben. Leichenflecke werden normalerweise zuerst dort sichtbar, wo sich nach dem Tod das Blut am schnellsten sammelt. Nicht im Gesicht, sondern am Rücken oder Gesäß, also an den Körperteilen, die von Raßfelds Morgenmantel verhüllt waren, den dieser sich hastig übergeworfen haben musste, als er den Tumult in Brucks Zimmer gehört hatte. Caspar schloss mit seinen Fingern vorsichtig die Augenlider des Klinikleiters. Nicht aus Gründen der Pietät, sondern weil er instinktiv die ersten Anzeichen der Totenstarre prüfen wollte.

Woher weiß ich das? Woher weiß ich, dass Leichenflecke schon nach dreißig Minuten, die Anzeichen der Totenstarre aber erst nach ein bis zwei Stunden und dann zuerst am Auge sichtbar werden?

Er konnte sich keine Antwort darauf geben. Nur eines wurde ihm schmerzhaft bewusst, genau in der Sekunde, in der Yasmin hinter ihm wütend gegen einen Instrumentenschrank trat und Bachmann fassungslos die Arme hinter seinem Schädel verschränkte. Ein Teil in ihm war froh, ja fast dankbar für das Grauen, das sich um ihn herum abspielte. Denn es lenkte ihn ab. So entsetzlich der Spuk auch war, er sorgte dafür, dass er sich nicht mit einem noch viel schrecklicheren Ungeheuer auseinandersetzen musste. Mit sich selbst.

Ich komm bald wieder, und dann wird alles gut werden, mein Schatz. Alles wird so wie früher. Mach dir keine Sorgen, Süße, okay? Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich werde dich da wieder rausholen, und dann … Sein Magen rumorte, und er fragte sich, ob das wirklich Übelkeit oder eher die Lebensgeister seines wahren Ichs waren, die sich wütend zu Wort meldeten.

»Darf ich mal?«, sagte Bachmann neben ihm und klang so, als hätte er diese Frage schon mehrfach gestellt. Caspar trat zur Seite. Er versuchte sich wieder auf das zu konzentrieren, was um ihn herum gesprochen wurde. Doch es gelang ihm nicht. Er starrte auf Raßfelds Leiche, und seine Gedanken wurden immer wirrer.

Vielleicht bin ich ja nur ein Bote? Ein Trojanisches Pferd mit einer todbringenden Fracht im Inneren meines Körpers, die nur auf die richtige Gelegenheit wartet, um hervorzubrechen?

Die unerklärliche Ursache seiner Amnesie, die ihn ausgerechnet vor die Tore dieser eingeschneiten Psychoklinik führen musste, und die Tatsache, dass er das Gesicht des Seelenbrechers schon mehrfach in seinen Träumen gesehen hatte, erschienen ihm auf einmal wie zwei Parameter in einer Gleichung mit drei Unbekannten,



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