Der Schlaf im Bauch des Chinesen by Friederike Schwab

Der Schlaf im Bauch des Chinesen by Friederike Schwab

Autor:Friederike Schwab [Schwab, Friederike]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783902901200
Herausgeber: edition keiper
veröffentlicht: 2014-10-19T16:00:00+00:00


Der Schlaf im Bauch des Chinesen

Über den Tag, ein Montag war es, kann ich nicht richtig reden. Er hat sich unglaublich gedehnt, war wie Ausgangspunkt und Zielpunkt zugleich, dazwischen war er wie ewig. Gefühlsmäßig – er war weder besonders angenehm noch ganz schrecklich, war genau mittendrin, das eine nicht und das andere auch nicht – ist er nicht zu beschreiben. Es will nicht heraus aus mir.

Ich meine den Tag, an dem der Chinesische Schrank zu uns in die neue Wohnung kam. Meine Mutter und ich sorgten mit Kreischlauten dafür, dass er, ohne im Stiegenhaus an die Mauern zu stoßen, in den ersten Stock getragen werden konnte. Zwei Männer schleppten ihn und schwitzten arg. Die Verpackung verrutschte ständig.

Schularbeiten können sich bei mir ebenfalls lang in eine Woche hineingraben. Das kann Tage und Nächte verschlingen. Ohne dass ich so ganz zum Wichtigen komme. Es bleibt eine Notlage, es sei denn, ich würde alles als Spaß begreifen. Aber da bin ich leider träge, eine Fliege, die man beim ersten Schlag zwar gestreift, aber nicht erwischt hat.

So ähnlich war es an diesem Montag. Es fing damit an, dass der Vater brüllte, was er normalerweise nie tut. Dass die Fäuste der Mutter vor ihrer Brust bebten. Ihr Kopf wurde rot, als sie schrie: Aus. Aus jetzt. Ich nehme den Chinesischen Schrank, den Rest lasse ich dir. Meine Sachen sind gepackt. Was sonst noch da ist, geht mich nichts mehr an.

Von mir aus, nimm dir was du willst! Der Vater war plötzlich stimmlos geworden. Werd’ glücklich damit.

Aus. Kein Kampf mehr!

Die Mutter wiederholte sich ständig.

Auf und ab, auf und ab, in der neuen Wohnung, in der wir nun sitzen, ging sie auf und ab. Das war wie tick, tack, tick, tack, tick, tack. An eine Uhr habe ich denken müssen. Daran, dass meine Mutter ja auch weinen könnte oder pausenlos vor sich hinreden. Was noch schlimmer gewesen wäre. Sie weinen hören ist sehr schlimm. Wenn ich weine, ist das etwas anderes, das ist wie Regen, der die Augen wäscht, bei ihr fürchte ich um alles, dann gibt es nichts Angenehmes mehr um uns herum. Hätte die Mutter geschrien, die neue Wohnung hätte mehr Luft gehabt. Aber sie konnte nichts anderes als tick, tack, tick, tack, ihre Füße umkreisten die vielen Schachteln und Kisten, die sich in den Ecken türmten. Sobald sie den sonnigen Lichtstreifen am Boden durchquerte, erzeugte sie dünne Schattenbeine. Das war das einzig Schöne dabei.

Ich habe ihn genommen. Warum habe ich ihn nur genommen? Warum nur?, fragte sich die Mutter ständig. Ihre Arme fuchtelten, als käme Strom von innen nach außen. Das konnte ich sehen. Eine ganze Ladung Donner war in ihr. Allerdings mehr ein Grollen. Ich musste mich nicht fürchten. Ich überlegte, ob sie mit genommen den Schrank oder den Vater meinte. Sie wandte sich dabei nicht an mich, eher an die etwas grünlich wirkenden Wände mit Schmierflecken und winzigen Einschlaglöchern von Vorhangstangen und Bildern, wie Insektenstiche waren die verteilt gewesen. Nach den nervösen Rundgängen im Zimmer sagte sie plötzlich: Halt, sehr gut, am



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