Der Schicksalsbaum by Stephen R. Lawhead

Der Schicksalsbaum by Stephen R. Lawhead

Autor:Stephen R. Lawhead [Lawhead, Stephen R.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783838759500
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-01-04T23:00:00+00:00


NEUNZEHNTES KAPITEL

Die Sprünge wurden härter. Daran gab es keinerlei Zweifel. Nach Wilhelminas Einschätzung waren die Überquerungen von einer Dimension zur anderen nicht nur unberechenbarer geworden, sondern auch unbequemer – und das mit einem deutlichen Unterschied. Obwohl sie sich vor langer Zeit gegen die Übelkeit und die Desorientierung abgehärtet hatte, erlebte sie jetzt beides wieder, und das überraschend heftig. Und jeder Sprung belastete einen stärker. Sie hatte Mitleid mit Dr. Young. Wunder jenseits der Vorstellungskraft hatte sie ihm versprochen; doch alles, was er bislang erfahren hatte, waren Erbrechen, Benommenheit und migräneartige Kopfschmerzen: Und das war eine Schande, denn ansonsten wäre der Ägyptologe wahrhaft der perfekte Kandidat für das Studium und die Ausübung des Ley-Reisens gewesen. Gesegnet mit einer robusten Konstitution und einer unerschöpflichen Begeisterung für die Wissenschaft sowie einem enzyklopädischen Wissen über Kulturen und Sprachen der Antike und Moderne, war Thomas Young ein gestandener Forscher – Eigenschaften, die er, wie sich herausstellte, sehr stark benötigte, denn die Reise, die in dem ägyptischen Wadi mit dem Grabmal ihren Anfang nahm, war alles andere als angenehm.

Ihr erster Sprung endete beinahe in einer Katastrophe, als der verbindende Ley sie nicht in die Hügel außerhalb von Prag führte, sondern genau zwischen einen fliehenden Hirsch und berittene Jäger mit einem Rudel Hunde, die alle ganz auf die Verfolgung ihrer Beute konzentriert waren. Glücklicherweise – und dank einiger rascher Überlegungen von Wilhelmina – waren sie in der Lage, seitlich in das Unterholz zu hasten, und vermieden somit, von den Pferden niedergetrampelt zu werden. Zwei weitere Sprünge folgten, bevor sie imstande waren, Prag und den Fluss-Ley zu erreichen.

Sobald ihr Sehvermögen wieder normal war, hob sie ihren Kopf und schaute sich um. Sie schien auf dem Pfad gelandet zu sein, der hinunter in die Schlucht führte, die sie als Großes Tal kannte. Zu guter Letzt war sie also am richtigen Ort – aber war es auch die richtige Zeit?

Doch was war aus Dr. Young geworden?

Während des Sprungs hatte sie, im buchstäblichen Sinne des Wortes, seine Hand gehalten, aber bei der Landung waren sie voneinander getrennt worden. Sie hörte ein würgendes Geräusch und drehte sich um – und entdeckte ihn auf dem Pfad hinter ihr. Er befand sich auf allen vieren und musste trocken würgen. Sie eilte zu ihm und legte ihre Hand auf seinen Rücken. »Dr. Young, sind Sie in Ordnung?«

Er hob seinen Kopf; die Stahlrandbrille war auf seinem Gesicht verrutscht. »Ich wage zu sagen, dass ich überleben werde.« Er rückte seine Brille zurecht und tupfte sich den Mund mit einem zusammengefalteten Taschentuch ab.

»Es tut mir so leid.« Sie streckte eine Hand aus, um ihm auf die Füße zu helfen. »Das war der bislang schlimmste Sprung.«

Thomas nickte, zeigte jedoch mit einem Winken an, dass er die dargebotene Hand nicht annahm. Für den Augenblick zog er es vor, auf dem Boden zu bleiben. Da er noch immer in seiner Montur für Ausgrabungen in der Wüste gekleidet war – leichter Mantel und leichte Hose aus ungebleichtem Leinen sowie Schlapphut –, sah er wie ein Dschungelforscher aus, der von seinem Glück verlassen war.



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