Der Schatzwald by Wagner Verlag

Autor:Wagner Verlag
Die sprache: deu
Format: mobi, epub, azw3
ISBN: 9783862799732
Herausgeber: Wagner Verlag
veröffentlicht: 2013-08-08T22:00:00+00:00

Tajo, der Hügelheld

Seit ewigen Zeiten bewohnten die Hügelstädter das Land am Rande der Frostberge. Sie waren ein stolzes Volk. Besonders stolz waren sie auf die Geschichten ihrer ruhmreichen Helden. Doch in jenen Tagen wurden die Hügelstädter immer unzufriedener.

Es begann mit jenem schicksalhaften Augenblick, da dieser Zwerg mit Spitzhut auftauchte und ganz beiläufig erwähnte, dass all die Geschichten über die tapferen Hügelhelden wohl eher antike Sagen sein müssten, weil selbst die uralten Steintafeln, auf denen sie geschrieben stehen sollten, längst zu Staub zerfallen waren. Der Hügelstadtrat diskutierte den Vorwurf ausgiebig und beschloss, dass es allerhöchste Zeit für einen neuen Hügelhelden sei.

Man entschied sich dafür, dass der Sohn des schielenden Weinbauern Molte der neue Hügelheld werden sollte. Schließlich sagte man Molte nach, dass er in siebenhundertdreiundfünfzigster Generation vom großen Volkshügelhelden Malte abstammen würde. Molte selbst konnte nicht als Hügelheld herhalten: Er war zwar gesund und kräftig, aber wer wollte schon einen schielenden Hügelhelden?

Die Wahl fiel also auf seinen Sohn Tajo.

Der war erst wenige Wochen alt, aber damit hatte man die Möglichkeit, ihm von klein auf alles beizubringen, was ein Hügelheld so können musste. Statt einer Rassel bekam er bereits in der Wiege ein kleines Holzschwert in die Hand gedrückt. Ein erfahrener Sprachkundiger versuchte, das Wehklagen des Babys in Kriegsschreie umzuwandeln. Selbst im Schlaf saßen Gelehrte am Bett des Kindes und flüsterten ihm ihre gesammelten Weisheiten ins Ohr. Nicht eine Minute seines jungen Lebens wurde mit Spiel oder gar Spaß vergeudet.

Mit dreiundzwanzig Jahren verstand der Jüngling zwar so wenig vom Leben, dass er nicht einmal von der Existenz von Frauen oder Mädchen wusste. Dafür konnte er die Qualität eines Kurzschwerts am Geschmack erkennen. Er war stärker und kampfgewandter als je ein Krieger zuvor. Seine Ehre war ohne Makel, und von bibliothekarischem Wissen beseelt, kannte er schlichtweg keine Angst, weil das auch zu den Dingen gehörte, die man vergessen hatte, ihm beizubringen. Während Tajo zu einem beachtenswerten Helden heranwuchs, suchte man nach angemessen, großen Taten für einen Hügelhelden. Das war in diesen friedlichen Zeiten wahrlich nicht einfach, aber zum Glück gab es ja noch die Sage vom Schatzwald und der Befreiung durch den Auserwählten.

Der Einfachheit halber erkor der Hügelstadtrat Tajo zu seinem Auserwählten, und mit einer Abordnung von Geschichtsschreibern, hochrangigen Beobachtern, einem Zug von einem Dutzend Vierspännern und begleitet von den einhundert notwendigsten Bediensteten, machte man sich auf den weiten Weg.

Vor dem Schatzwald angekommen, ließ man Zelte aufstellen. Tajo wurde sorgsam in die weiße Rüstung eines Hügelhelden gesteckt und bot darin ein so strahlendes Bild, dass mancher Hügelstädter eine Träne des Stolzes im Augenwinkel hatte.

Tajo wärmte seine furchterregenden Muskeln auf, indem er mit einigen Jongleuren jonglierte. Dann präparierte man ihn mit den edelsten und besten Waffen, die sich je an einem einzelnen Krieger versammelt hatten. Obwohl er keine Ahnung hatte, welche Heldentaten er überhaupt vollbringen sollte, drang Tajo ohne Zögern und zuversichtlich in den Schatzwald ein. Das schärfste Schwert, das je geschmiedet wurde, bahnte einen Weg durch das grüne Unterholz. Nach wenigen Augenblicken war der Hügelheld in den Schatten des Schatzwaldes verschwunden.

Vor dem Wald bereiteten die Hügelstädter unterdessen die Siegesfeier ihres Helden vor.

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