Der Riss im Berg by Jeschke Wolfgang

Der Riss im Berg by Jeschke Wolfgang

Autor:Jeschke, Wolfgang [Wolfgang, Jeschke]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: WILHELM HEYNE VERLAG
veröffentlicht: 2015-08-30T16:00:00+00:00


Am nächsten Morgen sattelte er den Gleiter und hängte sich seine ›Telli‹ quer vor die Brust. Dann sirrte er eine Schleife über die Station, winkte noch einmal zurück und zog die Maschine hoch. Wie ein silberner Tropfen verglomm die Maschine im flimmernden Grün des Morgenhimmels.

Es wurde ein heller, schrecklicher Tag.

Der Gleiter setzte ins taufeuchte Gras. Satch stieg aus dem Sattel.

Ein uralter runzliger Eingeborener saß auf einem Stein und wärmte sich in der Sonne. Mit einem Zweig stocherte er in einem Brutkasten herum und jagte seine Fliegen an die Arbeit.

Satch trat auf ihn zu und verbeugte sich.

»Du wartest auf mich?«

Der Alte hielt inne und wandte ihm seine drei Augen zu, dann stocherte er schweigend weiter.

»Gut, ich kann warten.«

»Der Zauber der Schuten wird über dich kommen, Mensch, Flenna wird dich in einen Wurm verwandeln, in eine Made, einen Rauch, ein Nichts, ein Garnichts, das der Himmel verschlingt.«

»Na, na, na! – Höre, du Gebieter der Fliegen, ist dies der verwunschene Berg?«

»Du stehst davor, Mensch, aber ich warne dich.«

Er schüttelte seinen kleinen zerknitterten Kopf und schien sehr besorgt.

»Hier hilft keine Gewalt, Mensch; bete, dass das neue Licht vergeht. Es hat Unheil über unsere Welt gebracht. Bete zu Flenna, dass sie die neue Sonne vom Himmel nimmt.«

Er schloss fromm zwei seiner Augen.

»Ich werde dem Spuk den Garaus machen«, sagte Satch und genoss das Entsetzen des Alten.

»Frevle nicht, oder der Berg wird dich fressen.«

»Wo ist der Eingang?«

»Es gibt viele, der Berg ist ausgehöhlt und von Gängen durchzogen wie eine Karcha, die von Wolfsmaden zerfressen ist. Ich werde dich führen.«

Er stelzte voran und wies den Weg zu einer Höhle. »Flenna sei mit dir«, pfiff er, schloss seine drei Augen und wandte sich hastig zum Gehen.

Satch nestelte die Taschenlampe los und bückte sich. Die Höhle war niedrig, er musste ein Stück weit kriechen, dann erweiterte sich der Gang, so dass er aufrecht gehen konnte. Er blickte umher. Der Schein der Lampe drang nicht weit in die Dunkelheit; das Gestein war grau und rissig, glitzerte feucht. Tropfsteine hingen von der Decke, Gänge zweigten ab. Feuchtigkeit, die Wände bespeichelt von weißem Getier, das träge dem Lichtschein zu entkommen suchte, zerfloss und klatschend zu Boden fiel.

Er ging vorsichtig weiter.

Plötzlich polterten irgendwo Steine. Blitzschnell löschte er das Licht, ließ es zu Boden fallen und rollte zur Seite. Er lud die Waffe durch, zielte ins ungewisse Dunkel, lauschend.

»Ist hier jemand?«

»Jemand, jemand«, kam das Echo dumpf aus verwinkelten Gängen.

Keine Antwort. Nur der eigene Atem.

Er spürte, dass ihm trotz der Kälte der Schweiß ausbrach. Satch fasste seine Waffe fester und drang weiter vor. Er ließ das Licht kurz aufflammen und wechselte mit einem Sprung die Stellung.

Keine Reaktion.

Zögernd tastete er sich voran. Ein seltsames Geräusch fiel ihm auf, es schien aus dem Fels zu kommen, ein Knirschen und Knistern, als würden zwischen riesenhaften Fäusten Kristalle zermahlen. Staub rieselte von der Decke und wurde im Fallen unsichtbar. Da erfasste der Lichtkegel die Gestalt, Satch riss den Nadler hoch – und ließ ihn wieder sinken.

Der Mann war tot.

Sein Körper war von Pfeilen durchbohrt. Das Blut hatte die helle Uniform dunkel gefärbt.



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