Der Regenbogen-Faktor by Jens Schadendorf
Autor:Jens Schadendorf
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Redline Verlag
veröffentlicht: 2014-05-20T16:00:00+00:00
Vorreiter
Diese Bewunderung hat Gründe. Denn in der Tat lässt sich die Geschichte der International Business Machines Corporation, wie der Konzern mit Hauptsitz im amerikanischen Bundesstaat New York mit vollem Namen heißt, auch als Geschichte eines allmählich sich entwickelnden innovativen Diversitätsmanagements lesen. Und dies lange bevor es den Begriff überhaupt gab, lange bevor auch das Unternehmen für seine Schwulen- und Lesbenfreundlichkeit gelobt wurde.
Big Blue, der mittlerweile mehr als hundert Jahre alte Gigant der amerikanischen Technologieindustrie, hat bewegte Zeiten hinter sich. Großartige Erfolge, wie die Erfindung des PC, wechselten sich mit existenziellen Krisen ab. Als 1993 der branchenfremde Lou Gerstner die Leitung des Unternehmens übernahm, stand es kurz vor dem Kollaps. »Nahtod-Erlebnis« nennen das heute immer noch viele IBMer und auch Finanzmarktakteure, die um ihr Geld fürchteten. Innerhalb von zehn Jahren brachte der Konzern unter Gerstners Führung einen spektakulären Turnaround zustande, den IBM niemand mehr zugestraut hatte. Ab Mitte der Nullerdekade begann außerdem eine radikale Transformation, die sich speziell IBM Deutschland verordnet hatte.
Längst ist der Konzern kein PC- und Hardware-Unternehmen mehr. Er hat sich in den letzten Jahrzehnten zum IT- und Beratungsunternehmen gewandelt und ist mit wieder über 430.000 Mitarbeitern in mehr als 170 Ländern tätig. Seit Anfang 2012 steht mit Virginia (»Ginni«) Rometty erstmals eine Frau allein an der IBM-Spitze. Bei IBM Deutschland dürften nach letzten Schätzungen knapp 20.000 Mitarbeiter beschäftigt sein; offizielle Zahlen dazu gibt das Unternehmen nicht heraus.
Jenseits der Tatsache indes, dass das Unternehmen immer wieder große Krisen bewältigen musste, war es sehr häufig schneller als andere, wenn es darum ging, gesellschaftliche Entwicklungen zu erkennen und in ihrer Vielfalt im Unternehmen abzubilden.
Denn lange ist die Businesswelt westlicher Länder vor allem eines nicht gewesen, nämlich vielfältig – stattdessen homogen. Unausgesprochen und unhinterfragt bedeutete das: männlich, weiß und heterosexuell dominiert. Erst langsam begann sich das zu ändern und die Langsamkeit hält bis heute an. Dabei unterscheidet sie sich nach Kulturen, nach Ländern und nach Unternehmen. IBM etwa machte früh schon vieles anders.
So wurden im IBM-Vorgängerunternehmen, das zunächst nur in den USA operierte, schon 1899 die ersten Frauen eingestellt, zwanzig Jahre bevor sie im Land das Wahlrecht erhielten. IBM-Legende Thomas J. Watson, der den Konzern von 1914 an mehr als vierzig Jahre führte, entwickelte diese ersten Ansätze weiter. Bereits 1934 legte er fest, dass Frauen und Männer für gleiche Leistung auch gleich zu bezahlen seien – fast dreißig Jahre bevor dieser Grundsatz in den USA gesetzlich verankert wurde. Nur neun Jahre später machte er zudem, mitten im Zweiten Weltkrieg, erstmals eine Frau zu einer Vizepräsidentin des Unternehmens.
Die Vorreiterrolle von IBM in Sachen Akzeptanz und Nutzung von mehr Vielfalt setzte sich fort, als sich der Konzern einer Equal Opportunity Policy verschrieb: einer Antidiskriminierungs- und Chancengleichheitsregel und offiziellen Verpflichtung, Fachkräfte nur aufgrund ihrer Fähigkeiten einzustellen, »ohne Rücksicht auf Rasse, Hautfarbe oder Glaubensbekenntnisse«. In einer Zeit, in der in vielen gesellschaftlichen Bereichen in den USA Rassentrennung herrschte und in der es zudem vielerlei Ressentiments gegenüber dem Glauben von »Minderheiten« gab – nicht nur gegenüber Juden oder auch Katholiken –, war das ein couragierter Akt. Diese
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