Der Puppendoktor by Brigitte Aubert

Der Puppendoktor by Brigitte Aubert

Autor:Brigitte Aubert [Aubert, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2013-11-17T23:00:00+00:00


KAPITEL 9

Marcel hupte zwei Mal. Das Fenster öffnete sich, und Nadja streckte den Kopf heraus. Sie winkte ihm zu.

»Wir kommen sofort!«

Als Marcel sie am Vorabend angerufen hatte, hatte er nicht damit gerechnet, dass sie einwilligen würde und war völlig erstaunt gewesen, dass sie ohne Umschweife Ja sagte. Er hatte sich zunächst bitter gefragt, ob sie ihn als potenziellen Kunden ansah, war aber dann zu dem Schluss gekommen, dass dem nicht so war. Sie verhielt sich ihm gegenüber völlig natürlich. Kein Eifer, besonders liebenswürdig zu sein, stellte er fest und lächelte verstohlen unter seinem Schnauzbart.

Fünf Minuten später kam sie, an der einen Hand Momo, in der anderen einen riesigen Korb und eine Decke. Marcel beugte sich zur Seite und öffnete ihr die Tür. Madeleines bissige Stimme hallte in seinem Kopf wider: Könntest du nicht mal etwas galant sein, siehst du nicht, dass ich zu tragen habe?! Er stieg aus und machte den Kofferraum auf, um den Korb und die Decke zu verstauen.

»Was ist denn da drin? Ach, du lieber Himmel, Sie haben ja Ihr ganzes Silber mitgenommen!«, scherzte er.

»Dein Auto ist schmutzig, Monsieur le Policier, und ganz verbeult«, meinte Momo.

»Ein Freund hat es mir geliehen«, antwortete Marcel lächelnd und entschlossen, einen angenehmen Tag zu verbringen. »Sitzt du, Momo?«

»Ja, ja.«

Momo hatte eine Kiste mit Schraubenmuttern gefunden, die nach Größe und Durchmesser geordnet waren, und machte sich jetzt daran, sie durcheinander zu bringen.

Nadja warf einen kurzen Blick zum Fenster ihrer Wohnung hinauf. Marcel sagte nichts, ließ den Wagen an und fuhr schnell davon, ehe sie es sich anders überlegen konnte.

Er fühlte sich unwohl auf dem von Dornen des Ehebruchs gesäumten Weg. Aber er war ein fröhlicher Schuft, der Lust hatte zu singen. Er dachte an einen Film, den er auf Madeleines Drängen hin im Mitternachtskino gesehen hatte: Das Bildnis des Dorian Gray, und ein Satz aus diesem Film fiel ihm ein: »Ich bin der Himmel und die Hölle«. Nun, in diesem Augenblick war auch er, Marcel Blanc, der Himmel und die Hölle, der Blitz und die Sonne, die Wolken und der Regen, er war alles, was man wollte, solange man ihn nur in Ruhe ließ.

Die Straße schlängelte sich über die unbewaldeten Hügel wie eine Narbe auf der runzligen Wange eines Afrikaners, und Marcel fühlte sich wie ein Forschungsreisender. Heute würde er weder an Morde noch an Jean-Jean oder an Madeleine denken, sondern nur an Nadja.

Sie fanden ein nettes Plätzchen zum Picknicken, wo nicht allzu viele Präservative und Bierdosen herumlagen, und ließen sich dort in aller Ruhe nieder. Marcel öffnete den Korb:

»Sie hätten nicht so viel vorbereiten sollen, Sie haben bestimmt die ganze Nacht gearbeitet.«

»Ich dachte, Sie hätten vielleicht Hunger, und ich koche gern.«

Eine Perle, sie war eine Perle, eine Heilige, eine Oase! Fast schweigend, aber munter verputzte Marcel zwei Teller Couscous, leerte eine Flasche marokkanischen Wein und kaute bedächtig an einem Stück etwas pappigem Kuchen. Völlig entspannt. Seit Monaten hatte Marcel sich nicht mehr so ruhig gefühlt. So friedlich. So beschützt. Nadja sprach wenig. Befangenheit? Schüchternheit? Sie schien sich nicht zu langweilen. Sie lächelte.



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