Der Premierminister Roman by Andrew Marr

Der Premierminister  Roman by Andrew Marr

Autor:Andrew Marr [Marr, Andrew]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426435564
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2015-11-25T16:00:00+00:00


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Dienstag, 19. September

Zwei Tage vor dem Referendum

Die Kampagne

Was für ein Mann. Was für ein Staatslenker. Über das Wochenende hatte der Premierminister, wie Whitehall-Insider zu berichten wussten, in Number 10 durchgearbeitet und mit Bankern in ganz Europa über mögliche Folgen eines »Neins« gesprochen. Trotzdem fand er, erschöpft, wie er sein musste, noch Zeit für eine Reihe von Radioübertragungen und Blitzbesuche in entlegenen Gegenden.

Und weiter ging es mit dem Verbreiten von Scherzen. Am Dienstagmorgen wies der PM den zänkischen walisischen Moderator der Sendung Today zurecht und war dabei vielleicht ein wenig witziger als üblich, aber er beherrschte auch die Argumente für den Endspurt bis zum Referendum perfekt. Einigen Hörern, die sich ganz besonders konzentrierten, mochte aufgefallen sein, dass sich bei seiner Wortwahl Ausdrücke wie »weise«, »pharisäerhaft« und »vor dem Sündenfall« häuften, doch kaum jemand – weder an einem Küchentisch noch bei Witter – fand das erwähnenswert.

In Downing Street selbst kämpfte man derweil mit dem Riesenproblem der Sichtbarkeit. Es stellte sich heraus, dass man digital erstaunlich viel tun konnte. Ein paar Computergenies – von denen manche noch zu jung zum Rasieren wirkten – hatten in einem fensterlosen Untergeschoss in der Old Compton Street den Kopf des PM umfassend gescannt. Die daraus resultierenden Computeraufnahmen befanden sich auf einem Stick und wurden nun von einem betagten Goth in dem inzwischen schon ziemlich ranzigen und stickigen Speisezimmer des Finanzministers digital bearbeitet.

Dame Cecily umkreiste ungeduldig dieses Genie der Computeranimation und schien dabei dessen zahlreiche Tattoos und Piercings gar nicht zu bemerken. Sie machte ihn zwar nervös, aber er arbeitete trotzdem weiter daran, eine immer realistischere Simulation des PM-Gesichts zu erzeugen. Mit 3-D-Digital-Mapping wurde der Kopf des PM in Bildmaterial aus alten Pressekonferenzen und Wahlkampfauftritten eingefügt. Die daraus resultierenden Bilder vermittelten den überzeugenden Eindruck, dass er auf einer Reihe von Veranstaltungen im Raum Birmingham gewesen war. Man sah ihn aber immer nur irgendwo aufblitzen, nie in Nahaufnahme, und niemand, der das Material betrachtete, hätte an der Anwesenheit des PM gezweifelt.

Das Team um Dame Cecily benutzte alte Videoclips aus den Archiven des Privatbüros, wo der Premierminister nur aus der Ferne oder von hinten zu erkennen war, und legte Rory Bremners Stimme darüber. Der PM schien, wie zufällig nicht im Bild, eine Ansprache an eine Menge zu halten und ging dabei auf die Schlagzeilen des Vormittags ein (»PM durch Ehekrach abgelenkt«). Sie hatten echtes Glück, als ein heftiger Regenschauer über der Downing Street niederging, sodass Bremner mit Perücke und in Nadelstreifenanzug, eines der Markenzeichen des Premierministers, einen großen Regenschirm benutzen konnte, um sich vor der einzigen Fernsehkamera zu verstecken, die dort postiert war, bevor er in den Fond seines Dienstwagens stieg und in hohem Tempo davongefahren wurde.

Um die Sicherheit zu erhöhen, war am Sonntagnachmittag ein Teil der PLS-Mitarbeiter in den Notfallraum COBRA – das Zimmer des Sicherheitskomitees für größere Regierungskrisen – verlegt worden. Von dort aus war es ein Leichtes, einen kleinen Konvoi aus Limousinen mit Motorradeskorte anzufordern. Sir Dickie Greene, der sich seine langen haarigen Ohren rieb und vor Ungeduld schnaubte, drängte den Bevollmächtigten der Londoner Polizei aus Gründen, die er nicht nennen könne, Extra-Security bereitzustellen.



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